Ein großer Sänger im Haus nebenan

Ein Interview mit dem Soulsänger Edo Zanki  ■ Von Hans-Hermann Kotte

Keiner kennt Karlsdorf in Baden. Alle kennen Manhattan. Keiner kennt Edo Zanki, den jugoslawischstämmigen deutschsprachigen Soul- und Funksänger. Leider kennen alle Peter Maffay — dessen leichter Ostakzent dem von Zanki manchmal ähnelt. Zanki, zweifellos eine der besten und schwärzesten Stimmen in Deutschland, hat das große Coming- out verdient, aber bislang nicht geschafft. An mangelndem Selbstbewußtsein liegt es jedenfalls nicht.

taz: Nach vier Jahren Pause haben Sie eine neue LP gemacht, auf der sich eine Menge Songs wie richtige Schlager anhören. Sollen die jetzt endlich für den Durchbruch von Edo Zanki sorgen?

Edo Zanki: Mit der Definition „Schlager“ bin ich nicht ganz einverstanden. Für mich hört sich das an wie Pop- und Soulmusik. Ich habe das gemacht, was ich schon immer machen wollte: einen einfachen Schlüssel für das zu finden, was ich sagen möchte — keinen Zuckerbäckerstil.

Bislang, fand ich, lag ihre Stärke gerade in stärker durcharrangierten Liedern, in den sehr tanzbaren Nummern.

Ich habe auf diesem Album ein, zwei Balladen mehr als sonst. Ich versuche nicht, mich wie eine überdimensionale Musikbox zu benehmen, mache die Stücke einfach, wie sie mir einfallen.

Der Begriff „Schlager“ war durchaus nicht abfällig gemeint.

Aber der Begriff wird oft abfällig gebraucht. Und ich habe auch selbst eine abfällige Meinung davon, wenn das nach dem Motto funktioniert: Man nehme dieses und jenes, bastele es zusammen und lasse es dann einfach von irgend jemand vortragen. Grüne Berge und so weiter. Das wird bei mir nie geschehen. Allerdings bin ich auch so vermessen und sage, wenn mich eines Tages der Wunsch packt, „Ganz in Weiß mit einem Blumenstrauß“ zu singen, dann werde ich das tun. Aber durch dem Umstand, daß ich das tue und wie ich das mache, wird es etwas anderes sein.

Am Anfang ihrer Karriere haben Sie es ja tatsächlich mal mit richtigem Schlager versucht.

Na ja. Ich kenne keinen 16jährigen, der nicht einen Herzanfall kriegt, wenn eine Firma anruft und sagt: Hey, du kriegst einen Plattenvertrag. Ich war damals also erst mal sehr froh, in München in einem Studio zu sein und Schlager nachzusingen. Mit der Zeit habe ich rausgekriegt, was ich musikalisch alles probieren möchte. Dann habe ich auch keinen Krach gescheut und auch keinen Anwalt, um aus solchen Verträgen wieder herauszukommen und mir andere Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen.

Ihre Stimme wird ja gern als die beste deutsche Soulstimme gelobt, sie klinge ziemlich schwarz. Wieso hat sich das auf dem deutschen Markt nicht durchgesetzt?

Durchgesetzt hat es sich, aber nicht auf einer ganz großen Breite. Wenn man eine Befragung unter Fachleuten mache würde, dann würden die alle sagen: Das isser. Aber das teilt sich offenbar nicht einem ganz großen Publikum mit, was an vielen Dingen liegen kann. Etwa daran, daß exzessiver, souliger Gesang in Deutschland keine wirkliche Tradition hat — obwohl seit vierzig Jahren anglo-amerikanische Musik stark gehört wird und wir alle damit aufgewachsen sind. Für die meisten Deutschen ist das immer noch ein Implantat, die gucken ungläubig an sich runter und fragen: Ach, bin das ich? Es gibt halt keine wirklichen Wurzeln.

Wieso bleibt Ihr großer Durchbruch aus?

Sagen wir's mal so: Meine Nachbarin kann sich nicht vorstellen, daß im Haus nebenan ein großer Sänger wohnt. Sie vermutet aber ohne weiteres, daß ganz Manhattan voller Häuser ist, in denen nur Weltstars sitzen. Und wenn der Edo Zanki in Karlsdorf sitzt, dann sagen alle immer nur: Meine Fresse, dieser arme kleine, dicke Edo Zanki. Warum springt der nicht aus dem ersten Stock? Ich würde gern nicht immer nur als Krankengeschichte behandelt werden.

Neben Ihren eigenen Platten sind sie ja als Komponist und Produzent für andere gut im Geschäft. Tina Turner und Ry Cooder haben Songs von Ihnen gesungen. Sie haben Grönemeyer und Meinecke produziert. Sind Sie zufrieden mit der zweiten Reihe?

Das ist gar kein Platz in der zweiten Reihe. Ein Filmregisseur sitzt ja auch nicht in der zweiten Reihe. Ich bin dann zwar nicht der Reproduzierende, ich bin dann jemand, der hilft, einen Künstler nach vorn zu bringen. Ich tue das mit all meiner fachlichen Kenntnis. Auf der einen Seite schmeichelt mir das, wenn Leute sagen, wir wollen mit dir arbeiten. Andererseits denke ich natürlich oft, so wie der oder die singt, das kann ich ja allemal noch — vielleicht tanz' ich nur nicht so nett. Diese Arbeit mit anderen ist wichtig für mich, ich würde micht zu Tode langweilen, wenn ich immer nur auf Tournee sein müßte mit den immergleichen zehn Songs, den immergleichen Gesten — nur, damit die Leute wissen, das ist der mit dem Hut und der schwarzen Brille.

Eigentlich sind Sie das männliche Pendant zur Jazzsängerin Joy Fleming, die auch nie richtig rausgekommen ist.

Den größten Unterschied zu Joy sehe ich darin, daß sie eine rein reproduzierende Künstlerin ist — eine große Stimme mit einem großen Body drumrum. Ich denke, daß ich viel mehr Einfluß auf meine musikalische Arbeit ausübe, als das Joy jemals gemacht hat. Wie sich die Leute jemanden vorstellen, der diese Musik macht, die ich mache, das weiß ich nicht. Aber die Dreißig- bis Fünfzigtausend, die ich zu meinen Stammhörern und -Käufern zählen kann, die haben offensichtlich keine Schwierigkeiten damit, den Menschen mit dem Musiker unter einen Hut zu bringen. Nachdem ich selbst erst mal zwanzig Jahre gebraucht habe, um mich mit mir selber anzufreunden, fällt es mir jetzt leicht, keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden, wie ich bei dem und dem Ton auf der Bühne jetzt meine Hand zu halten habe.

Aber die Plattenfirmen haben bestimmt versucht, ihnen ein Image zu verpassen.

„Marketing makes people sing“, scheint in den Plattenfirmen ein Glaubenssatz zu sein. Es gab immer Leute, die versucht haben, an mir herumzudoktern, andere hatten es mit der Tour Geheimtip, Juwel, Feinkost. Diese Arie hat mich auch immer gestört. Heute produziere ich meine Platten unabhängig, ich stelle sie selbst her, finanziere sie alleine. Und wenn sie fertig sind, suche ich mir einen Partner, damit es keine Einflußmöglicheiten gibt. Das ist keine Paranoia, aber ein Prinzip, nach dem ich gerne arbeite.

So richtig penetrant an Ihrer neuen LP finde ich, daß sie nur über die Liebe singen, einmal auch über Geld. Gibt es für Sie keine anderen Themen?

Doch, doch. Es gibt sicherlich viele andere Themen, die sich zu besingen lohnen, aber mich interessiert Liebe generell. Womit ich auch begonnen habe bei den Texten dieser Platte, es wurde immer ein Liebeslied draus. Da habe ich aufgehört, mich dagegen zu wehren, das mußte raus. In einem anderen Jahr wird es vielleicht eine andere Gewichtung von Themen geben. Ich lasse mich nicht gern von außen auf Texte festlegen, um ein bestimmtes Publikum zu befriedigen, um als ehrlich schwitzender deutscher Liedermacher zu gelten. Ich will nicht immer die gleichen Überschriften aus den gleichen Zeitungen abschreiben, um daraus meine Texte zu basteln.

Ich fand die Texte bedauernswerterweise auch erstaunlich simpel. Ein richtiger Bruch zur Musik. Kann die Texte nicht jemand anders für Sie schreiben? Vielleicht Herr Grönemeyer?

Einmal ist es ja kein Geheimnis, daß Herbert und ich uns nicht mehr besonders lieben, seit wir miteinander zwei Alben lang gearbeitet haben. Da würden mir also durchaus noch andere einfallen — auch wenn ich Grönemeyers Texte wirklich gutfinde. Falls meine Texte simpel sein sollten, dann sind sie das mit Absicht. Ich will mich nicht von einem brisanten Thema zum anderen bewegen wie Grönemeyer — oder wie Heinz-Rudolf Kunze für juchzende Germanisten schreiben. Ich mache auch keine so lyrischen Texte wie Ulla Meinecke, bei mir kommt die Emotion über die Musik.

Ich habe unlängst auf einer LP von Catarina Valente ein Lied gehört, bei dem Gianni Morandi, Joy Fleming, Frau Valente und Sie zusammen im Quartett gesungen haben. Die deutsche Version von „That's what friends are for“.

Das war sehr ungewöhnlich, da klingelte das Telefon, und Catarina Valente war dran — ich hatte als Fünfjähriger doch alles von ihr aus dem Radio nachgesungen.

Edo Zanki: Und wir kriegen uns doch (WEA)

Tourneedaten: 29.10. Köln, 30.10. Frankfurt/Main, 31.10. Göttingen, 1.11. Aachen, 2.11. Hannover, 3.11. Erlangen, 4.11. München, 6.11. Stuttgart, 7.11. Mannheim, 8.11. Berlin, 11./12.11. Hamburg, 13.11. Bremen