Israels „Grüne Linie“ wieder Grenze

Palästinenser aus besetzten Gebieten werden bei Einreise nach Israel penibel kontrolliert  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach vier Tagen der vollständigen Abschottung des israelischen Kernlandes für alle Bewohner der besetzten Gebiete dürfen seit gestern Palästinenser die „Grüne Linie“ nach Israel wieder überqueren.

In erster Linie waren von der Aussperrung die etwa 120.000 in Israel arbeitenden Palästinenser betroffen. Jeder arabische Bewohner der Westbank und des Gaza-Streifens muß allerdings beim Überschreiten der Grenzlinie einen peniblen „Sicherheits-Check“ bestehen. Anhand von Computerlisten prüfen die israelischen Behörden, wer in Israel arbeiten darf und wer als „Sicherheitsrisiko“ gilt und daher die besetzten Gebiete nicht verlassen darf.

Zum „Sicherheitsrisiko“ aufgrund einer „kriminellen Vergangenheit“ wird man freilich schnell. Dazu genügt es, irgendwann an Aktionen gegen die israelische Besatzung teilgenommen zu haben. Jeder so auffällig gewordene Palästinenser erhält eine grüne Identitätsbescheinigung — und bleibt ausgesperrt. Die Behörden wollen auch verhindern, daß Palästinenser „illegal“ in Israel übernachten. Die arabischen Arbeiter sind verpflichtet, abends in ihre „Schlafdörfer“ und „-lager“ zurückzukehren, um am Morgen erneut nach Israel einzureisen.

Abgewiesen werden auch all jene, die keine gültige Erlaubnis des israelischen Arbeitsamtes besitzen. Palästinensische Quelle geben an, daß etwa die Hälfte aller arabischen Arbeiter illegal, das heißt ohne Registrierung des Arbeitsamtes, in Israel tätig sind. Denn eine Registrierung bedeutet 40prozentigen Lohnabzug in Form von Steuern und Sozialleistungen. Ariel Sharon, dem Likud- Falken und gegenwärtigen Minister für Häuserbau, gehen diese rigiden Sicherheitsbestimmungen längst nicht weit genug. Nach seinen Vorstellungen müßten die palästinensischen Arbeiter bereits ab 19 Uhr in ihren Dörfern sein. Außerdem fordert er ein Gesetz, nach dem steinewerfende Palästinenser und deren Familien in arabische Nachbarländer abgeschoben werden können.

Mahmud Ismail Jadd, ein 35jähriger Palästineser aus Gaza, der als Bauarbeiter in Tel Aviv arbeitet: „Die Situation ist ernst. Die zunehmende Arbeitslosigkeit in Gaza macht alles noch schlimmer. Auch Palästinenser, die sich bisher nicht an Widerstandsaktionen beteiligten, werden ihre Wut nun auf die Straße tragen. Ich hoffe aber, daß die Aussperrung vieler Palästinenser nicht lange dauern wird. Denn welcher Israeli ist schon bereit, Schwerstarbeit zu Niedrigstlöhnen zu verrichten?“

Bisher ist es den Behörden tatsächlich noch nie gelungen, arabische Arbeiter durch israelische Arbeitslose zu ersetzen. Doch im Zuge der Einwanderungswelle aus der UdSSR könnte sich das durchaus ändern.