Drogentagung: weg mit dem Strafrechtsknüppel!

■ Auf Fachkonferenz von Senatorin Klein sind sich alle Experten einig/ Nur Polizeivertreter gegen »legalize it!«/ Bagatelldelikte blockieren Justiz

Berlin. Nur Rüdiger Engler, Mitarbeiter der Berliner Kripo-Direktion »Spezialaufgaben der Verbrechensbekämpfung«, sprach sich gestern gegen die Legalisierung von harten Drogen aus. Auf der Expertenkonferenz im Schöneberger Rathaus argumentierte er, daß eine straffreies Koksen und Fixen zu erhöhtem Konsum und somit auch zu mehr Toten führen werde als bisher. Das Publikum, zum überwiegenden Teil Berliner SozialarbeiterInnen, lachte den Polizisten einfach aus. Die anderen drei Experten, die auf Einladung der Senatorin für Frauen, Jugend und Familie, Anne Klein (AL), gekommen waren, argumentierten dagegen mit den Folgen des bisherigen Strafrechts für die Betroffenen.

Obwohl die Polizei »kleine Konsumenten« zwar nicht verfolgen wolle, wird bei vier von fünf Ermittlungsverfahren (wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz) gegen Konsumenten ermittelt, berichtete Dr. Albrecht, Strafrechtsexperte des Freiburger Max-Planck- Instituts. Friedrich Bschor, Berliner Professor für Gerichtsmedizin, berichtete aus dem drogenliberalen Liverpool, daß dort auf eine Million Einwohner sechs und im liberalen London 31 HIV-positive Drogenabhängige kommen. Im repressiven West-Berlin kommen auf eine Million Einwohner immerhin über 100 HIV-positive Drogenabhängige.

In der Strafverfolgungspraxis würden sich nur die Niederlande und Italien von den anderen europäischen Ländern unterscheiden, erklärte Albrecht. Obwohl die niederländischen Nachbarn seit Mitte der 70er Jahre Haschisch de facto straffrei besitzen und konsumieren dürften, würden dort nicht mehr Bürger kiffen als in der Bundesrepublik. Der Hamburger Drogenbeauftragte, Horst Bossong, forderte die »Zurückstutzung« des Betäubungsmittelgesetzes auf seinen eigentlichen Sinn: Es soll den Drogenverkehr kontrollieren statt erfolglos versuchen, ihn zu unterbinden. Er bemängelte, daß der Appell an die Einsicht von Drogenabhängigen unglaubwürdig sei, wenn hinter den Therapeuten immer der Knüppel des Strafgesetzbuches lauere.

Drogenabhängige würden nicht so schnell abstinent werden, wie bisher angenommen, sagte Bschor. Deshalb seien Hamburg und Nordrhein-Westfalen mit ihren Modellen federführend. Ziele ihrer Drogenpolitik seien dort die »Normalisierung in der Lebensführung« und das »Herauslösen der Abhängigen aus der illegalen Szene«. Dadurch würde auch eine Ursache der Drogenausbreitung gebremst, weil Altfixer sich ihre Einkünfte nicht mehr durchs Dealen verdienen müßten. Die Experten forderten, daß Drogenabhängige, auch wenn sie sich nicht von harten Drogen lossagen, mit Ersatzdrogen, einer Wohnung und einem Arbeitsplatz versorgt werden müßten. Nur wer in die Gesellschaft integriert werde, habe die Voraussetzungen, die Nadel irgendwann aus der Hand zu legen.

Bschor sprach sich gegenüber der taz auch aus einem anderen Grunde für eine legale staatliche Substituierung aus. Seiner Ansicht nach beginne mit dem Ende der 20er Jahre eine menschliche Entwicklungsphase, in der man mit seinem Leben, mancher auch mit Drogen experimentiere. Erfahrungen in Dänemark, den Niederlanden und in Großbritannien zeigten, daß von den Betroffenen staatliche Hilfen akzeptiert und daß nach Stabilisierung dieser Lebensphase die meisten von den harten Drogen wegkommen würden. Dirk Wildt