: Milliardengrab Wohnungsbau
■ Der Haushalt des Bausenators: Mehr als die Hälfte fließt in Neubauten/ Baupreise steigen von Jahr zu Jahr/ Uraltvorhaben aus der Mitte der achtziger Jahre liegen immer noch auf Eis
Rathaus Schöneberg. »Diese Ganoven plündern uns aus, und wir sind wehrlos«, sagt Bernd Köppl, Haushaltsexperte der AL, resigniert. Der Haushaltsansatz des Bausenators garantiert den Berliner Baulöwen auch nächstes Jahr eine goldene Nase: Von den 3,055 Milliarden Mark des Bauhaushalts fließen 1991 1,7 Milliarden in den Wohnungsneubau. Weitere 1,2 Milliarden Mark müssen für die Altschulden der Wohnungsbauprogramme der letzten Jahre aufgebracht werden. Und mehr noch: Es werden in den kommenden Jahren weitere 3,86 Milliarden Mark fällig, um die Kredite und Kreditzinsen für das Wohnungsbauprogramm 1991 zu tilgen.
Für letztlich 4,56 Milliarden sollen 8.500 Wohnungen gebaut werden — falls es dazu reicht. Denn die Baukosten explodieren: Die Kostenmiete im sozialen Wohnungsbau — das ist die Miete, die real an den Eigentümer geht — ist auf 28 Mark 50 pro Quadratmeter und Monat gestiegen. Das sind fünf Mark pro Quadratmeter mehr als noch vor einem Jahr. Der Preisanstieg ist gerade im sozialen Wohnungsbau am höchsten, denn da zahlt Vater Staat, damit die Mieten billig bleiben. Bei Eigenheimen und teuren Dachgeschossen setzt hingegen der Geldbeutel der Endverbraucher natürliche Grenzen.
Gerade dieser Senat ist von den Bauträgern erpreßbar, denn er hat seine politische Zukunft daran geknüpft, möglichst viele neue Wohnungen zu bauen. Und so kommt es, daß zwar der sogenannte Bewilligungsausschuß aus Vertretern der landeseigenen Wohnungsbaukreditanstalt und des Bausenators noch im Frühjahr und Sommer jedes Jahres zu teure Bauprojekte zurückweist. Gegen Ende des Jahres, wenn die Öffentlichkeit und die jeweilige Opposition wissen wollen, ob die Versprechungen erfüllt wurden, wird dann aber jede noch so teure Wohnung bewilligt. Und so macht die Kostenmiete noch mal einen Sprung nach oben.
Und auch dieses Jahr ist die Bilanz nicht allzu günstig. Am heutigen Tage sind von geplanten 8.400 Wohnungen — davon 4.000 im sozialen Wohnungsbau — erst 5.320 Wohnungen bewilligt, davon nur 1.829 Sozialwohnungen. Und von den 14.565 Wohnungen, die in den letzten fünf Jahren bewilligt worden sind, wurde bei 1.276 Wohnungen noch gar nicht angefangen zu bauen. Darunter sind 822 »Altfälle« aus dem Jahre 1989, 64 Wohnungen sogar aus den Jahren vorher. Wegen gestiegener Baupreise habe man, so ein Vorstandsmitglied der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, Schönefeldt, noch keinen Neubau storniert. Allerdings gebe es Fälle, bei denen die Preise für einzelne Ausbauarbeiten nach der Bewilligung erheblich gestiegen seien.
Hoffnungen auf billigere Baufirmen aus dem Umland nach dem Fall der Mauer haben sich noch nicht erfüllt: Zwar arbeiten ostdeutsche Bauarbeiter für die Hälfte des Westlohnes. Deren Firmen bekamen jedoch bislang nicht so recht einen Fuß in die Westberliner Tür: Man traut ihnen die Qualifikation nicht zu, nimmt Schönefeldt an. Als Leiharbeiter jedoch wurden DDR-Bauarbeiter schon vor der Wende hier eingesetzt. Da jedoch fließt die Lohndifferenz in die Taschen der — westlichen — Bauträger.
Bei den Unsummen, die für den Wohnungsneubau angesetzt werden, wundert sich der Fachmann über den — inzwischen beigelegten — Streit zwischen AL und SPD um ein paar Millionen Mark mehr oder weniger für die Stadterneuerung. Die Alternative Liste mußte trotz Unterstützung von Mieterorganisationen monatelang darum kämpfen, daß der Senat nun 330 Millionen für die Sanierung maroder Quartiere veranschlagt, 30 Millionen mehr als ursprünglich geplant. Jede Mark davon, so versichert Bausenator Nagel immer wieder auf mißtrauische und häufig wiederkehrende Anfragen, fließt in den Westteil der Stadt. Für Ost-Berlin mit seinen 25.000 leeren Wohnungen müsse es weitere Haushaltsmittel geben. Aber woher die kommen, weiß noch niemand so recht. Eva Schweitzer
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