Im Kerker des Todes

■ Ein offener Brief des in den USA zum Tode verurteilten Mumia Abu Jamal

Stellt Euch vor, den Rest Eures Lebens — seien es fünf oder zehn Jahre — in einem fünf mal fünf Meter großen Raum, vielleicht in den Ausmaßen Eures Badezimmers, zu verbringen.

Stellt Euch vor, niemals nach draußen zu kommen; es sei denn — wenn Ihr wollt — für eine, manchmal zwei Stunden, die in einem Käfig mit eisernen Gitterstäben und messerscharfem Stacheldraht verbracht werden müssen.

Stellt Euch vor, daß Ihr Euer Kind, Euren Partner oder Eure Eltern niemals berühren oder trösten könnt.

Stellt Euch vor, daß das sogenanntes alltägliches Leben für 2.347 Menschen in den USA bedeutet. Es ist das Leben von 30 Frauen und 2.317 Männern in den Todestrakten der USA, die dort auf den Tod warten, genauer gesagt, darauf warten, „zu Tode gebracht zu werden“; umgebracht zu werden durch einen anonymen Staatsdiener, der ca. 50 Dollar dafür erhält, daß er jemanden, den oder die er nicht kennt, kaltblütig erschießt, auf den elektrischen Stuhl bringt, vergiftet, vergast oder erhängt.

Überall in den USA haben Politiker die Anziehungskraft der Todesstrafe für das Sammeln von WählerInnenstimmen wiederentdeckt. Wieder einmal, wie zu den Zeiten unserer Vorfahren, steigen Männer auf den Rücken von Schwarzen zur Macht auf. Die Todestrakte sind überfüllt mit Schwarzen, Hispanics, Indianern und armen Weißen, die von einer degenerierten Gesellschaft ausgestoßen werden. Und die Richter spielen das Spiel des Todes, indem sie African Americans, Hispanics und andere als Objekte in einer makaberen Unglückslotterie benutzen. In dieser Lotterie verliert das System nie.

Mein Prozeß, und insbesondere die Prozeßphase, in der über das Urteil verhandelt wurde, war ein rassistisches, vom Staat geplantes Referendum gegen die Black Panther. Diese Tatsache wurde klar, als African Americans systematisch als Geschworene ausgeschlossen wurden, so daß eine weiße Jury übrigblieb, die nach schwarzem Blut lechzte.

„Der Angeklagte plante schon damals, einen Polizisten umzubringen“, behauptete der Staatsanwalt, indem er sich auf Bemerkungen bezog, die ich ungefähr zehn, elf Jahre vorher als Mitglied der Black Panther gemacht hatte.

Welche Bemerkungen waren das? Gefährliche, bedrohliche Sätze wie „Alle Macht dem Volk“ — bedrohlich für ein System, das entschlossen ist, den Menschen grundlegende Macht zu verweigern. Und „Politische Macht wächst aus den Gewehrläufen“ — welche Argumente kann eine Nation gegen dieses Sprichwort vorbringen, die die indianische Nation mit dem 45er Colt vernichete, die die Massaker in Wounded Knee verursacht hat, und die das Hauptquartier von MOVE im Mai 1985 durch Bombenangriffe aus der Luft zerstörte?

Für die weißen Mittelklasse-Geschworenen hatten diese Sätze, vorgebracht von einem Black Panther, selbst nach zehn Jahren ihr Feuer nicht verloren. Diese Bemerkungen wurden dazu benutzt, die Todesstrafe zu produzieren.

Aber es ist richtig zu rebellieren. Und ich werde weiterhin Widerstand leisten!