Abu Jamal droht die Hinrichtung

Der ehemalige Pressesprecher der „Black Panther“ wurde 1981 wegen angeblichen Polizistenmordes zum Tode verurteilt/ Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde jetzt vom Supreme Court abgelehnt  ■ Aus Washington Heike Kleffner

Durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA vom 2. Oktober ist die Möglichkeit einer Hinrichtung des schwarzen Journalisten und ehemaligen Black-Panther- Mitglieds Mumia Abu Jamal in bedrohliche Nähe gerückt. Jamals AnwältInnen hatten unter Verweis auf gravierende Verfahrensfehler im ersten Prozeß gegen Abu Jamal ein Wiederaufnahmeverfahren beantragt. Der Supreme Court lehnte den Antrag ohne weitere Begründung ab.

Der Gouverneur von Pennsylvania, Robert Casey, kann folglich jetzt jederzeit den Hinrichtungsbefehl unterschreiben. Der Gouverneur hat sich in der letzten Zeit dadurch einen Namen gemacht, daß er innerhalb von 3 Monaten 9 Hinrichtungen angeordnet hat. Jamals AnwältInnen haben angekündigt, einen weiteren Antrag auf ein Revisionsverfahren vor dem Supreme Court zu stellen. Dieser Antrag hat — bis zu einer Entscheidung — aufschiebende Wirkung für einen eventuellen Hinrichtungsbefehl.

Gleichzeitig wächst jedoch der politische Druck auf Gouverneur Casey, den einzigen zum Tode verurteilten politischen Gefangenen in den USA umbringen zu lassen. Mumia Abu Jamal, ein ehemaliger Pressesprecher der Black Panther und bekannter Radiojournalist in Philadelphia, war 1981 wegen angeblichen Polizistenmordes von einer weißen Jury zum Tode verurteilt worden; während des Verfahrens wurden entlastende Beweisanträge von der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Die Verurteilung erfolgte auf der Basis lückenhafter Indizien und widersprüchlicher Zeugenaussagen.

Mitte diesen Jahres veranstaltete die einflußreiche Polizeigewerkschaft in Philadelphia eigens eine Kundgebung, um ihrer Forderung nach Hinrichtung von Abu Jamal Nachdruck zu verleihen. Der Gewerkschaftsvorsitzende Richard Costello erklärte während einer Ansprache: „Mumia Abu Jamal muß endlich hingerichtet werden. Er wird von einer terroristischen Gruppe unterstützt, deren Mitglieder zusammen mit ihm auf eine elektrische Couch gehören!“

Nach einer Meinungsumfrage, die vor einigen Monaten in der 'Washington Post‘ zitiert wurde, befürworten rund 75 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung die Todesstrafe. Äußerungen wie die des Gewerkschaftsvorsitzenden Costello könnten unter diesen Umständen durchaus unmittelbare Folgen haben, zumal der Gouverneur von Pennsylvania bei den im November diesen Jahres anstehenden Wahlen auf die politische Unterstützung der Polizeigewerkschaft angewiesen ist. Philadelphias Polizisten sind ohnehin dafür bekannt, daß ihnen die Pistolen locker sitzen: zwischen 1971 und 1981 wurden in Philadelphia über 300 zumeist schwarze Männer von Polizisten erschossen, weitere 700 durch Polizeikugeln verletzt.

Jamals Anwältin Rachel Wolkenstein weist darauf hin, daß auch der prozeßführende Richter seit 20 Jahren Mitglied der Polizeigewerkschaft ist — eine Tatsache, die erst nach dem Prozeß bekannt wurde — und daß er alles dransetzen wird, um zu verhindern, daß sein Urteil aufgehoben wird. Dieser Richter ist, nebenbei, für 24 Todesurteile verantwortlich.

Gouverneur Casey verweigert bisher jede öffentliche Stellungnahme zu dem Fall. Inzwischen sind über 30.000 Petitionen aus aller Welt mit der Forderung nach der Aufhebung der Todesstrafe gegen Mumia Abu Jamal und für seine sofortige Freilassung — beide Möglichkeiten stehen dem Gouverneur im Rahmen seiner gesetzlichen Vollmachten zur Verfügung — beim Gouverneur eingegangen.

Die AnwältInnen hoffen, daß sie durch den zweiten Antrag beim Supreme Court noch einmal Zeit für die politische Mobilisierung — insbesondere in den USA — sowie für ein letztes Berufungsverfahren vor einem niedrigen Gericht in Pennsylvania gewinnen können.

Mumia Abu Jamals Fall soll unter anderem bei dem internationalen Menschenrechtstribunal zur Situation der über 150 politischen Gefangenen in den USA, das vom 7. bis 10. Dezember 1990 in New York stattfinden soll, vor die internationale Öffentlichkeit gebracht werden. Dem Tribunal könnte eine zentrale Bedeutung bei der Überwindung der faktischen Nachrichtensperre in den Massenmedien sowohl zu Jamals Fall als auch zur Anerkennung der Existenz von politischen Gefangenen in den USA zukommen.

In der Zwischenzeit sorgt die Gefängnisleitung von Huntingdon, wo Mumia Abu Jamal mit wenigen Unterbrechungen seit 9 Jahren in Isolationshaft im Todestrakt festgehalten wird, dafür, ihn so effektiv wie möglich zum Schweigen zu bringen. Seit Anfang dieses Jahres werden Anträge von JournalistInnen nach Interviews aus angeblichen „Sicherheitsgründen“ abgelehnt.

Mumia Abu Jamal wurde während seiner Zeit als Radiojournalist aufgrund seiner engagierten und kritischen Berichterstattung oft die „Stimme der Unterdrückten“ genannt. Er schreibt auch aus der Todeszelle weiterhin Beiträge für mehrere Zeitungen. Die taz veröffentlicht hier anstelle des verbotenen Interviews einen offenen Brief von ihm.

Informationen und Petitionen zu Mumias Fall sind bei AGIPA-Press, Eichenbergerstr. 53, 2800 Bremen 1, erhältlich.