Regenbogenforellen mit menschlichem Gen

■ Experten warnen vor genmanipulierten Fischen/ In der Fischzucht sind die neuen Techniken der Biotechnologie zügig auf dem Vormarsch/ Monosex-Fische, neue Kreuzungsprodukte und Lachse mit Flundergen werden bereits „hergestellt“

Berlin (taz) — In einem vertraulichen Bericht warnen die Fischereisachverständigen der (alten) Bundesländer vor dem rasanten Vormarsch der Gentechnik. Zugleich zeigen sie — in der nüchternen Sprache der Produzenten — die ganze Bandbreite der derzeit aktuellen Möglichkeiten auf, mit moderner Biotechnologie neue Fische „herzustellen“. Über die vorgezeichnete Entwicklung machen sich die Fischereiexperten keine Illusionen: „Die Speisefischerzeugung wird sich wie die übrige Tierproduktion genetischer Methoden bedienen.“ Dies „läßt sich weder verbieten, noch durch Kontrollen unterbinden. In Fischzuchtanlagen wird es also unabweislich genetisch veränderte Fische geben.“ Was da genau auf Züchter, Käufer und Gewässer zukommt, zeigt die Bestandsaufnahme der Sachverständigen.

Als einfachste Technik wird seit langem versucht, durch eine kontrollierte Fortpflanzung neue „Kreuzungsprodukte“ herzustellen. „Mit einem erweiterten Angebot an Fischarten“ könne man „die Wünsche von Gewässerbewirtschaftern und Anglern befriedigen“. Ob Regenbogenforelle mit Coholachs, Silber- mit Marmorkarpfen oder Bach- mit Seesaibling, überall ließen sich durch Kreuzungen wirtschaftlich oder optisch interessante Arten erzeugen.

„Zunehmend“ werde auch in der BRD die Technik der „Polyploidisierung“ (Manipulation am Chromosomensatz) genutzt, die in Frankreich und Großbritannien weit verbreitet sei. Durch Behandlung der befruchteten Eier mittels Temperatur- oder Druckschock wird ihre Entwicklung so gesteuert, daß die Erbinformation nicht doppelt sondern dreifach (triploid) ausgebildet wird. Die so behandelten Fische sind dann zu 90 Prozent unfruchtbar, wovon die Fischzüchter direkt profitieren: „Da sie steril sind, wird das gute Wachstum nicht durch den Eintritt der Geschlechtsreife unterbrochen.“

Die „Monosex-Speisefischproduktion“ ist eine andere, vor allem in Großbritannien verbreitete Technik. Da zum Beispiel weibliche Regenbogenforellen besser wachsen als die Männchen, wird durch hormonelle Geschlechtsumwandlung dafür gesorgt, daß „all-female“-Brut angeboten wird, also ausschließlich Weibchen. Das männliche Erbgut kann auch durch die Bestrahlung des Spermas eliminiert werden (Gynogenese). Um trotzdem den doppelten Chromosomensatz zu erhalten, werden die Eier in einem bestimmten Stadium anschließend schockbehandelt. Die auf diese Art erzeugten Weibchen können nun wiederum mit Weibchen (ja!) aus derselben Linie begattet werden, die man durch hormonelle Geschlechtsumwandlung vorher zu Männchen macht. So können die Erbanlagen der Nachkommen verdichtet werden.

Die Gynogenese werde in Schottland und Norwegen zur Herstellung weiblicher Lachse angewandt. In mittel- und osteuropäischen Staaten würden auf diese Weise Karpfen wirtschaftlicher produziert.

Mit direkten gentechnischen Methoden, also der Implantation fremder Erbsubstanz bei Fischen, ist bereits in verschiedenen Ländern experimentiert worden. In Frankreich sind menschliche Gene für die Bildung von Wachstumshormonen auf Regenbogenforellen übertragen worden, um schnelleres Wachstum zu erzielen. In Kanada wurde versucht, die Kälteresistenz des Lachses zu optimieren; er wurde mit einem Anti-Frost-Gen der Flunder ausgerüstet. Auch in der BRD wurde mit menschlichen Wachstumsgenen gearbeitet und diese auf Barsche übertragen. Amerikanische Regenbogenforellen erhielten schließlich das Wachstumsgen von Karpfen eingebaut. Sämtliche Verfahren „dienen immer ökonomischen Zwecken“, heißt es in dem Papier. Als letzte Einsatzmöglichkeit wird die „Erzeugung attraktiver Aquarienfische“ genannt, die mittels künstlicher Mutationen „durch Bestrahlung oder Chemikalien“ entstehen.

Ausführlich diskutieren die Fischereiexperten die Gefahren und Kontroll-Möglichkeiten für die neuen Techniken. Ihr Fazit: Bei Gentec-Fischen „ist zunächst Zurückhaltung sowie größte Vorsicht geboten“. Schon die Freisetzung eines einzigen genmanipulierten Fisches könne „unabsehbare Folgen haben“, zumal eine Korrektur, also die Rückholbarkeit einmal ausgesetzter Fische „praktisch nicht mehr möglich ist“. Die tatsächliche Gefährdung könne immer erst im nachhinein schlüssig bewiesen werden.

Da die Anwendung der Gentechnik in der Fischzucht aber nicht zu verhindern sei, so die Logik der Autoren, müsse versucht werden, die Ausbringung genmanipulierter Fische auf die Teichhaltung einzuschränken und auf bestimmte Fischarten zu begrenzen. Daß dabei ein Restrisiko bleibt, wollen die Fischereireferenten nicht ausschließen. Zugleich beklagen sie, daß Fischerei- und Naturschutzgesetze „derzeit nicht in der Lage sind, eine potentiell gefährliche Freisetzung genetisch veränderter Fische zu unterbinden“. Wegen der ohnehin angeschlagenen Situation der Fischfauna sei eine „besonders kritische Behandlung“ der neuen biotechnologischen Verfahren notwendig. Die Konsequenzen dieser neuen Techniken für Fischbestände und Gewässerökologie sind, so die Schlußbemerkung des Papiers, „noch nicht voll überschaubar“. Manfred Kriener