„Noch ein paar Jahre bis zur erneuerten PDS“

■ Ulla Jelpke (39), Bundestagsspitzenkandidatin für die PDS, zu den Folgen des PDS-Finanzskandals für westliche Linke INTERVIEW

taz: Du wirst am heutigen Montag den westdeutschen PDS-Wahlkampf in Köln eröffnen. Mit Bauchschmerzen oder nach dem Motto: „take it easy, nimm Gysi“?

Ulla Jelpke: Ein bißchen Bauchschmerzen kann ich nicht verhehlen. Mir wäre es lieber, wenn der Skandal uns erspart geblieben wäre. Aber ich sag auch nicht, die Sache sei ganz schlimm und ich muß mich total schämen. Am Wochenende haben wir ja lange mit dem Parteivorstand und vielen anderen aus der PDS über die notwendigen und möglichen Veränderungen diskutiert.

Die wären?

Es muß eine schonungslose Öffentlichkeit über die Finanzen der Partei hergestellt werden. Dann muß eine Garantie geschaffen werden, daß die Kandidaten der Linken Liste ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen. Das fordern wir schon seit einigen Monaten und nicht erst jetzt. Insgesamt haben wir es mit einer Altlast der SED zu tun, über die ich nicht so sehr schockiert bin. Mit den zwei markanten Punkten der PDS — Finanzen und Stasi-Geschichte — werden wir uns weiter auseinandersetzen müssen.

Diese Auseinandersetzung hat die Partei, wenn überhaupt, nur auf Druck von außen geführt. Beunruhigt Dich das nicht?

Nein. Ich bin seit 20 Jahren in der Politik (zuletzt als GAL-Abgeordnete in Hamburg, d. Red.) und weiß, wie langsam Veränderungen gehen. Wir werden noch ein paar Jahre brauchen, um wirklich die erneuerte PDS vorzustellen. Auch jetzt ist noch ein Teil des alten Apparates in der PDS tätig, da mach ich mir gar keine Illusionen.

Gibt es Stimmen, daß Projekt einzustellen?

Nein. Es sind ja nicht unsere Ziele angegriffen. Die PDS hat sich politisch nicht geändert, nur weil der Skandal öffentlich geworden ist.

Eben; hat die PDS nicht gezeigt, daß ihre „Erneuerung“ ein Windei ist?

Nein, ich sagte bereits, daß die Erneuerung ein langer Prozeß ist. Politisch stehen wir für eine Interessenvertretung der sozialen Belange, für Frauenpolitik, für bestimmte diskriminierte Minderheiten. Das ist alles völlig unberührt davon.

Im Osten heißt es: „Die wollen nur mit unserer Hilfe in den Bundestag“, im Westen fürchtet man die Macht der alten Seilschaften und Ideologien. Wird das Mißtrauen wachsen?

Solche Vorwürfe an Westlinke sind mir nicht bekannt. Ich weiß hingegen, daß man es für unabdingbar hält, Westlinke in der PDS für die Erneuerung zu haben, schon wegen unserer ganz anderen Erfahrungen. Für uns ist nochmal deutlich geworden, daß wir uns keine Illusionen machen dürfen, die PDS sei eine glatte oder saubere Partei, mit der man einfach loslegen könne. Wir haben ein Stück ihres Erbes angenommen und damit auch die Verantwortung, die Geschichte mit aufzuarbeiten.

Wie wird der Skandal sich auswirken?

Unser Ansehen hat gelitten. Aber unsere Wähler und Wählerinnen werden nicht so naiv sein, nicht zu wissen, daß solche Dinge passieren können. Hinsichtlich der Wahl wird viel davon abhängig sein, was wir noch deutlich machen können.

Was hält zusammen, wenn nicht Gysi?

Die Interessenvertretung sozialer Belange der ehemaligen DDR-Bevölkerung und der Anspruch, die Auseinandersetzung mit der Geschichte lebendig zu halten. In dem ersten Punkt formulieren sie die Interessen am deutlichsten. Wegen des Erbes der SED und der Geschichte ist die PDS die einzige Partei, die beansprucht, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Interview: Petra Bornhöft