Alles vergeben und vergessen?

■ Proteste in Namibia gegen den neuen Swapo-Militärchef Hawala, einen Folterer

Berlin (taz) — Lange hörte man nichts über Namibia, die letzte Kolonie Afrikas, die erst in diesem März 1990 ihre Unabhängigkeit erhalten hatte. Der demokratisch gewählten Regierung unter Sam Nujoma schien es gelungen, die auf ihre Fahnen geschriebene „nationale Versöhnung“ zu praktizieren. Doch nun reißen die frischen Narben der Vergangenheit auf. Seit der Ernennung des ehemaligen Swapo-Sicherheitschefs Salomon Dumeni Hawala zum Oberkommandierenden der Armee vor einer Woche regen sich bei den Oppositionsparteien als auch bei Kirchen und internationalen Menschenrechtsgruppen Proteste. Hawala, so der Vorwurf, soll zu Zeiten des 30jährigen Guerillakriegs der „Südwestafrikanischen Volksorganisation“ Hunderte der Spionage für den Feind in Pretoria verdächtige Personen, viele selbst Swapo-Mitglieder, verhört und gefoltert haben. Hunderte der über 1.100 in Gefangenenlagern im Süden Angolas jahrelang in Erdlöchern Festgehaltenen waren letzten Sommer in ihr Land zurückgekehrt und hatten die Swapo und besonders „Jesus“ Hawala angeklagt. Sie nannten ihn „Schlächter von Lubango“. Diese Enthüllungen schadeten der Swapo sehr und verhinderten letztlich, daß sie eine Zweidrittelmehrheit bekam, um eine ihr genehme Verfassung zu verabschieden.

Einer UN-Untersuchung vom letzten September zufolge muß mit mehr als 386 Toten und Vermißten gerechnet werden — in einem Land, das nur 1,2 Millionen EinwohnerInnen zählt, kann man das nicht vertuschen. Der externe Flügel der Swapo, besonders ihr Chef Sam Nujoma und sein Informationsminister Hidipo Hamutenya, hat sich niemals bei den Opfern entschuldigt oder die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission gestattet. „Es war eben Krieg“, war und ist offizielle Linie. Die Parole des „Vergebens und Vergessens“ beinhalte schließlich auch, daß Mitglieder der ehemaligen, von Südafrika dressierten „Koevoet“- (Brecheisen)-Einheiten in die neuen namibischen Sicherheitskräfte aufgenommen worden seien und viele Weiße, die offen mit Südafrika zusammengearbeitet hätten, auch weiter wichtige Posten innehaben. Hawala müsse gleiches Recht geschehen. Schließlich gebe es den Bestimmungen der Namibia-Resolution der UNO zufolge eine Klausel, nach der es keine rückwirkende Bestrafung für vor der Unabhängigkeit begangene Verbrechen geben dürfe.

Es scheint, als sollten mit Hawalas Ernennung Fakten geschaffen werden. Amnesty International hatte in einem Sonderbericht diesen August eine unabhängige Untersuchung gefordert: Ein jeder, der in Folterungen und Ermordungen von Gefangenen verwickelt war, müsse in der neuen Nation zumindest von Positionen im Vollstreckungsbereich ausgeschlossen sein. Andrea Seibel