■ DER ALTE HELDEN-TIP (RESPEKTIVE TYP)
: Gun Club

»Ich bin die brüllenden, lautspielenden Bands so unheimlich leid! Dieses Frontale-Attacke-Ding, wieder und wieder.« (aus Spex) Das sagt er jetzt, unser allerliebstes dickes Arschloch Jeffrey Lee Pierce, der nie eines sein wollte und nun auch kein dickes Arschloch mehr ist, aber immer noch unser allerliebster Kulturverwalter des riesigen amerikanischen Erbes. Wenn er sowas sagt, vergißt er zu erwähnen, daß er selbst vor fast zehn Jahren, als er halt auch zehn Jahre jünger war, mit dieses Ding losgetreten hat, die Erkenntnisse von Punk nehmen konnte und sie auf die zutiefst amerikanischen Musiken anwendete. Die zweite Gun Club-LP »Miami« zum Beispiel, Cowpunk nannte man das damals. Ein Stil, von dem nicht viel geblieben ist, außer vielleicht eben der Gun Club, aber die waren nie ganz eindeutig Cow oder gar Punk, denn nicht nur daß der Erstling »Fire Of Love« Blues-Rock (oder Blues-Punk) war und die dritte »Las Vegas Story« Hardrock, es gab auch immer, auch auf der vorwiegend ekstatischen »Miami«, die ruhigen, zurückgelehnten Nummern. Sanfter, abgehangener Stoff von alten Trinkern für hoffungslos romantische, junge Menschen. »Mother Of Earth« war so ein Stück. Das mag sogar Freund Fricke, und der hat eigentlich was gegen amerikanischen Gitarrenrock.

Damals pöbelte er noch auf das Publikum, feuerte seine Musiker reihenweise (daraus entstanden immerhin ganz gute Splitterbands, wie z.B. die Pontiac Brothers) und trank vor allem zuviel. Inzwischen ist er clean, kein Alkohol, keine Zigaretten mehr, und wir dürfen uns freuen, daß er wieder gesund ist und seine grandiose Stimme, die so wunderbar haarscharf am Rand des Überschlags entlangschrammen kann, nicht weiter versaut.

Die neueste Platte »Pastoral Hide & Seek« (nach drei Jahren Pause wegen Absturz, Entzug und Geldschwierigkeiten) ist zwar ein Alterswerk, aber wieder näher am alten Gun Club als es die vorherige »Mother Juno« war. Hier gibt es wieder alle Stile, die sie damals konnten, und das waren jede Menge. Zwar ist alles eher relaxter, aber halt auch nicht nur, und man merkt genau, daß es für Jeffrey Lee Pierce nur zwei Möglichkeiten gab: Leberzirrhose oder trocken werden und diese Platte machen. Er hat die eindeutig bessere gewählt. to (Foto: Roland Owsnitzki)

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