Henning Scherfs schwarze Kasse

■ Hans-Wendt-Stiftung: Rechnungshof erhebt zahlreiche Vorwürfe gegen Scherf

Dem ehemaligen Sozialsenator Henning Scherf und seiner Nachfolgerin Sabine Uhl stehen schwere Wochen bevor. Gestern legte der Rechnungshof den langerwarteten „Bericht über die Prüfung des Hans-Wendt-Stiftung vor“. Der Inhalt bestätigt all diejenigen, die bisher nur mutmaßen konnten. Der Vorstand der Hans- Wendt-Stiftung trägt ein hohes Maß an Verantwortung für schier unzählige größere und kleinere finanzielle Unregelmäßigkeiten.

Die Prüfung war im September 1989 von der Bürgerschaft angefordert worden, nachdem öffentlich geworden war, daß der Verwaltungsleiter und seine Finanzbuchhalterin mehr als eine halbe Millionen Mark veruntreut haben sollen. Bis vor kurzen hatte der Vorstand der Stiftung versucht zu verhindern, daß der Rechnungshofbericht der Brügerschaft im ganzen Umfang vorgelegt wird. Begründung: Die Öffentlichkeit gehe es nichts an, wie die private Stiftung mit ihren privaten Geldern verfahre. Der Rechnungshof entschied sich jetzt für zwei Berichte. Ein 16seitiger Bericht ging gestern den Bürgerschaftsabgeordneten und der Presse zu, ein 150seitiger, vertraulicher Bericht wurde nur den Mitgliedern des Rechnungsprüfungsausschusses zugestellt.

In diesem vertraulichen Bericht, der der taz vorliegt, wird akribisch aufgelistet, in welchen Geschäftsbereichen fahrlässig oder gar vorsätzlich das Stiftungsvermögen angegriffen wurde, obwohl dies nach der Satzung nicht hätte geschehen dürfen. Ein Beispiel: In den Heimen der Hans-Wendt-Stiftung wurden Jugendliche betreut. Für diese Betreuung zahlte der Sozialsenator Pflegesätze aus dem Landeshaushalt. Obwohl der Vorstand zum Beispiel 1981 wußte, daß diese Pflegesätze nicht ausreichten, wurde kein Beschluß gefaßt, um dies zu ändern. Erst ein Jahr später beauftragte der Vorstand den Geschäftsführer höhere Pflegesätze zu beantragen. Der aber befolgte diese Anweisung nicht. Fazit des Rechnungshofes: „Wir müssen feststellen, daß der Vorstand zwar Beschlüsse faßte, deren Durchführung aber nicht überwachte.“

Bei der Durchsicht der Hans- Wendt-Bilanzen müssen die Rechnungsprüfer es mit einem riesigen Chaos zu tun gehabt haben. So heißt es in dem nichtöffentlichen Bericht: „Die Buchführung der Stiftung ist nicht so beschaffen, daß sie sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Lage der Stiftung vermitteln kann.“ Der Vorstand schiebt die Verantwortung für die desolate Finanzverwaltung dem Wirtschaftsprüfungs-Unternehmmen zu, daß jährlich die Bilanzen der Hans-Wendt-Stiftung überprüft hatte. Doch dieser gab der Buchhaltung jedes Jahr einen Persilschein. Klagt der Vorstand in seiner Stellungnahme: „Der Vorstand ist über Jahre hinweg getäuscht worden durch Inkompetenz des Wirtschaftsprüfers und durch betrügerische Manipulation des Finanz- und Rechnungswesens.

Doch so einfach mögen die staatlichen Rechnungsprüfer Henning Scherf und seine Vorstandkollegen nicht aus der Verantwortung entlassen. Denn entgegen einschlägiger Empfehlungen war das Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen nicht nach fünf Jahren ausgetauscht worden. Und auch die Inkompetenz des damaligen Verwaltungsleiters konnte den Vorstand nicht überraschen. Urteil des Rechnungshofes: „Dem Vorstand war die mangelhafte Arbeit des Verwaltungsleiters bekannt. Insofern hätte er früher einschreiten und auch dem Wirtschaftsprüfer weitergehende Aufträge erteilen müssen.“

Auch für die Gründe des stiftungsschädlichen Finanzgebahrens hat der Bericht eine Erklärung. In Zeiten der Haushaltsebbe nahmen die sieben Vorstandsmitglieder (neben dem Sozialsenator weitere vier aus der Sozialbehörde) die Stiftungsgeld als schwarze Kasse, um den städtischen Haushalt zu entlasten. „Wir haben festgestellt, daß der Vorstand die Lösung aktueller Probleme der Sozialbehörde zu seinem Anliegen machte und die Probleme durch den Einsatz von Stiftungskapital lösten, obwohl die damit zusammenhängende langfristige Arbeit im Sinne des Stiftungszweckes absehbar mit hohen Risiken verbunden war.“ Und an anderer Stelle: „Zusammenfassen läßt sich sagen, daß dem Stiftungsvorstand die städtischen Interessen näher lagen, als die der Stiftung.“ hbk