Kuwaitische Stimmen aus dem Londoner Exil

Zwischen Regierung und Opposition wurde nach der Besetzung Kuwaits offenbar eine Art Burgfrieden geschlossen/ Trotz erheblicher Finanzreserven haben die ehemaligen kuwaitischen Machthaber nur wenig politischen Spielraum/ Die Opposition gibt sich mit Versprechungen zufrieden, denen sie bereits jetzt wenig vertraut  ■ Aus London Jochen Hippler

Die kuwaitische Herrscherfamilie Al-Sabah und Zehntausende kuwaitischer Bürger sind nach der irakischen Besetzung geflüchtet. Zumindest ein Teil von ihnen verfügt über ein erhebliches Anlagevermögen im Ausland. Schätzungen reichen bis zu einer Größenordnung von rund 200 Mrd. Dollar. Der allergrößte Teil dieses Geldes steht den Exilkuwaitis weiterhin zur Verfügung, so daß sie über einen beträchtlichen finanziellen Spielraum verfügen.

Das bedeutet nicht, daß die kuwaitische Exilregierung in einer sonderlich guten Position wäre. Das Staatsoberhaupt, Emir Sheikh Jaber al-Ahmad, verhält sich passiv und resigniert. Die Leitung der Geschäfte ist in die Hände des dynamischeren Kronprinzen, Sheikh Saad al-Abdullah, übergegangen. Das ändert wenig daran, daß die Politik der kuwaitischen Exilregierung von den Optionen Saudi-Arabiens und der USA abhängig ist, die nicht immer identische Interessen verfolgen. Denn schließlich verfügt die kuwaitische Regierung über keine nennenswerten eigenen Möglichkeiten, militärisch oder politisch zur Vertreibung der irakischen Truppen beizutragen.

Der kuwaitische Botschafter in London, Ghazi al-Rayes, kann auch rückblickend keinen Fehler seiner Regierung im Umgang mit dem Irak erkennen. Zwar habe man durch den irakischen Truppenaufmarsch Ende Juli mit der Möglichkeit von irakischen Grenzverletzungen gerechnet. Eine Eroberung Kuwaits habe man aber nicht erwartet, insbesondere weil Saddam Hussein mehrfach zugesichert habe, keine Gewalt anzuwenden.

Man habe sich nichts gegen den Irak zuschulden kommen lassen. Eine Niedrigpreispolitik beim Ölverkauf habe man eigentlich nicht betrieben, auch kein irakisches Öl aus dem Rumaila-Ölfeld angezapft. Die politischen Verhältnisse in Kuwait vor der irakischen Eroberung findet er vollkommen unproblematisch: es habe eine Demokratie gegeben. Jeder Bürger habe Zugang zur Regierung gehabt, um eventuelle Beschwerden vorzubringen. „Es gab offene Türen und offene Herzen.“ Eine gesetzliche und praktische Diskriminierung der Mehrheit der Bevölkerung, nämlich all jener ohne kuwaitische Pässe, habe es nie gegeben. „Die fremden Arbeiter waren glücklich, sonst hätten sie ja gehen können.“

Sein abschließendes Resumee: „Eine politische Lösung kann es jetzt nicht mehr geben“, eine solche Lösung könne nur im bedingungslosen Abzug der Iraker bestehen.

Ahmad Al-Khatib, Vorsitzender der Kuwaitischen Demokratischen Bewegung und ehemaliger Oppositionsführer, der zur Zeit ebenfalls in London lebt, konzentriert seine Kritik an den früheren Verhältnissen in Kuwait auf die Frage des Verfassungsbruchs durch die Herrscherfamilie der Al-Sabah. Die Verfassung räume dem Emir nur sehr begrenzte Macht ein, trotzdem habe die Herrscherfamilie das Land wie einen Familienbetrieb kontrolliert. Von Demokratie könne überhaupt keine Rede sein.

Die Konfrontation zwischen demokratischer Oppositon und dem Herrscherhaus ist seit Mitte Oktober offensichtlich einer Art Burgfrieden gewichen. Bei einer großen Volkskonferenz im Saudischen Dschidda wurden die al-Sabahs mit der Forderung nach Reformen und Demokratisierung konfrontiert. Al-Khatib meint, die Konferenz sei ein großer Erfolg gewesen: der Emir habe schließlich für die Zeit nach der Befreiung demokratische Rechte zugesichert.

Ob dieses Versprechen denn auch ernstgemeint sei und später eingehalten würde? — „Nun, das ist schwer zu sagen. Das weiß ich auch nicht.“ Aber jetzt sei erst einmal die Vertreibung der Iraker aus Kuwait vordringlich.

Ob er sich im klaren darüber sei, daß die militärische Befreiung Kuwaits das Land völlig zerstören würde? Wer denn in Kuwait an so einer Lösung überhaupt Interesse haben könne? — Seine Antwort ist überraschend: „Nur die Al-Sabahs, die haben ihren Reichtum ja im Ausland.“