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Geheimagent Mauss in Genf aufgetaucht

Der berüchtigtste deutsche Geheimagent, Werner Mauss, hat seine Operationsbasis in die Schweiz verlegt/ Dort bahnt sich jetzt ebenfalls ein handfester Polizeiskandal an/ Vom Schweizer Fernsehen enttarnt, räumte er überstürzt seine Genfer Villa  ■ Aus Zürich Thomas Scheuer

Am 10. Oktober 1987 wird im Zimmer 317 des Genfer Nobelhotels „Baurivage“ der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel tot in der Badewanne gefunden. Im selben Haus hatte sich im Sommer und Herbst jenes Jahres öfters ein Erich Fischer eingerichtet, wenn er nicht als Dr. Lange im „Richemond“ abstieg oder sich als Horst Faber im „Hotel des Bergues“ eintrug. Der plötzliche Rummel um den Toten in der Badewanne paßte dem Landsmann gar nicht in den Kram. Denn Öffentlichkeit und Presse scheut Herr Fischer alias Lange alias Faber wie Dracula die Knoblauchknolle. Hinter den Decknamen versteckt sich der berüchtigte deutsche Skandaldetektiv und Mehrzweckagent Werner Mauss. Für das TV-Magazin „Rundschau“ des schweizer Fernsehens DRS haben die Journalisten Frank Garbely und Hansjörg Brügger jetzt seine Spur in der Schweiz aufgenommen.

In der Bundesrepublik gilt Mauss mittlerweile als „skandalverbrannt“. Auch in der Schweiz, wo sich Mauss spätestens Mitte der 70er Jahre mit Referenzen von LKA und BKA einführte, operierte Mauss zeitweise illegal. Im März 1982, so erinnert sich ein damals beteiligter LKA-Beamter vor der DRS-Kamera, landete Mauss mit seinem Privatjet auf dem Flughafen Zürich-Kloten. Ziel der geheimen Mission: In einem Züricher Hotel will Mauss Geschäftsleute abhören. Eine krasse Verletzung der schweizerischen Polizeihoheit! Die Operation platzt, weil das Luftfrachtpäckchen mit der Abhörtechnik das Mißtrauen einer Lufthansa-Angestellten geweckt und diese die Polizei eingeschaltet hat. Zwei deutsche Kripo-Männer, die Mauss begleiten, werden verhaftet und ausgewiesen. Die Schweizer kabeln einen geharnischten Protest nach Deutschland; das Landeskriminalamt Niedersachsen, in dessen Diensten Mauss damals agierte, entschuldigte sich förmlich für den peinlichen Zwischenfall.

In der BRD wegen seiner dubiosen Praktiken unter Druck geraten, verlagerte Mauss ab 1987 seine Operationsbasis offenbar in die Schweiz. Von den Gestaden des Genfer Sees aus, so die DRS-Rundschau-Recherchen, versuchte er sich in die Geiselverhandlungen um den Hoechst-Manager Rudolf Cordes einzuklinken. Mauss schickte zwei Unterhändler in den Libanon und ließ bei der Hisbollah sondieren. Während Bonn im Anschluß an die Cordes-Freilassung behauptete, vön Lösegeld sei nie die Rede gewesen, berichten ehemalige Mauss-Leute das Gegenteil: Lösegeld in Millionenhöhe sei geflossen. Von „falschen“ Hisbolla-Leuten ist die Rede. Hat Mauss im Schatten der Geiselaffäre auf eigene Rechnung abgesahnt oder es zumindest versucht? Alles reine Phantasie, schreibt Mauss-Anwalt Wenzel dem schweizer Fernsehen.

Daß Maussens Umtriebe im Alpenland schwer aufzudecken sind, geht auf sein altbewährtes Erfolgsrezept zurück: Undurchsichtige Kungelei mit offiziellen Dienststellen und hohen Polizeibeamten. Letztere stellen sich jetzt Mauss-tot. Der Genfer Polizeichef Walpen etwa verweigerte dem DRS ein Interview mit der Begründung: Er kenne gar keinen Werner Mauss. Zwei Tage später interveniert Mauss-Anwalt Wenzel bei der Rundschauredaktion. Beilage: Vertrauliche Genfer Polizeiinformation. Protektion genoß Mauss auch bei der Wohnungssuche: Im Mai dieses Jahres mietete Mauss eine hübsche Genfer Villa an — illegal, weil unter falschem Namen und mit falschem Paß. Den Mietvertrag vermittelte ein hoher Polizeibeamter über seinen Schwager, den Inhaber der Firma Mepco. Doch nach Geldwäscheraffäre und Staatsschutzskandal tobt auch im eidgenössischen Sicherheitsapparat so etwas wie ein Kampf zweier Linien. Vor wenigen Wochen, am 4. September, nahmen Genfer Polizisten die Schwiegereltern von Mauss und die Privatlehrerin seiner Kinder in der Villa fest. Mittlerweile ließ Mauss die Villa räumen. Wie schon in Niedersachsen bahnt sich möglicherweise auch in Genf und Bern ein Mauss-Skandal an: Drei hohe Genfer Polizeibeamte gingen bereits vorzeitig in Pension — angeblich just die Mauss-Kontakleute.

Auch in Bern will man den Namen Mauss nur aus der Presse kennen. Doch ein Telex mit der Nummer 32730/04/1 aus dem Jahre 1976 belegt das Gegenteil: Darin avisiert Interpol Wiesbaden den eidgenössischen Kollegen die Ankunft des freien BKA-Mitarbeiters Werner Mauss unter dem Decknamen Hansen. Wörtlich: „Herr Hansen wird sich wie bisher bei der zuständigen Stelle melden.“

Eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) beleuchtete vor einem Jahr das Innenleben des Berner Justiz- und Polizeiministeriums. Zuvor war Ministerin Elisabeth Kopp über die größte Geldwäscheraffäre in der Geschichte des Landes gestolpert.

Die PUK ging auch Gerüchten nach, wonach eidgenössische Dienststellen ausländische Agenten mit schweizer Pässen ausgestattet haben sollen. Dieser Verdacht, so der PUK-Report, habe sich nur in einem nachweisbaren Fall bewahrheitet. Den Namen verschwiegen die Parlamentarier. Begründung: „Berechtigtes Geheimhaltungsinteresse“. Der ausländische Agent, der zeitweise mit dem berühmten roten Paß mit dem weißen Kreuz sein Unwesen treiben konnte, war — Werner Mauss.

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