Rebellisches Inselvolk setzt sich durch

Paris (taz) — Auf Korsika lebt das Volk der Korsen. Eine Banalität? Keineswegs: An der Anerkennung des Begriffs „korsisches Volk“ durch die französische — „eine und unteilbare“ — Republik scheiterte seit jeher jeder Dialog zwischen Korsen und Kontinentalpolitikern. Seit Mittwoch ist das anders. Der französische Ministerrat billigte den Gesetzentwurf von Innenminister Pierre Joxe, der Korsika einen territorialen Sonderstatus zugesteht und präzisiert: „Die französische Republik garantiert der lebendigen geschichtlichen und kulturellen Gemeinschaft, die das korsische Volk darstellt, Rechte auf die Wahrung seiner kulturellen Identität.“ Ein Passus, der mit dem klassisch-republikanischen Nationalgedanken bricht, wonach es mit Ausnahme der Überssegebiete nur ein einziges „Peuple francais“ gibt. So hat der Verfassungsrat bereits seine Bedenken angemeldet.

Durch die Reform und die faktische Anerkennung des „Peuple corse“ wird der Status Korsikas dem von Frankreichs überseeischen Gebieten angenähert. Falls die Pariser Nationalversammlung das Gesetz verabschiedet, wird bei den nächsten Regionalwahlen 1992 ein korsisches Parlament gewählt werden, das selbst wiederum einen „Exekutivrat“ mit Regierungsvollmachten ernennt. Der Rat arbeitet den Haushalt der Insel aus, und er ist verantwortlich für die wirtschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten. Also den Unterricht, die Raumplanung und Wirtschaftsförderung. Die Handlungsfähigkeit der Regierung, die in der alten Insel-Assemblée durch die diversen Klientelismen gleich null war, soll durch ein konstruktives Mißtrauensvotum gestärkt werden. Der fiskalische Sonderstatus Korsikas bleibt bestehen, und die Pariser Zentralregierung muß das korsische Parlament bei jedem Gesetz konsultieren, von dem die Insel in besonderer Weise betroffen ist.

Nach zweieinhalb mehr oder weniger bombenfreien Jahren, nach neun Monaten intensiver Rundtischgespräche des Innenministers mit allen dialogbereiten politischen Kräften sind die Aussichten heute besser als je, die rebellische Insel etwas zur Ruhe und zur Selbstverantwortung kommen zu lassen. Die nationalistische „Union du Peuple Corse“ um den Europarlamentarier Max Siméoni kritisiert zwar die Einführung einer Fünf-Prozent-Klausel bei den Regionalwahlen, hat sich jedoch an der Ausarbeitung des Textes beteiligt, was ihr von den separatistischen „Cuncolta“ zum Vorwurf gemacht wird. smo