Wurst und ganz viel Eis — aber kein Silber

■ Stichprobe: Wie es bremischen Firmen mit den Geschäften in der Ex-DDR ergeht

40 Jahre Konsum-Entzug: Reißen die Menschen in der Ex-DDR den westdeutschen Firmen ihre bunten Produkte jetzt aus den Händen? Kaufen und bestellen sie Leckeres, Edles, Gestyltes, was das Zeug hält und das Konto hergibt, Hauptsache Westwaren? Die taz fragte einige Bremer Firmen nach ihren Erfahrungen mit dem DDR-Geschäft.

Kopierer zum Beispiel sind bis auf vorsintflutliche Modelle im Osten Mangelware, preiswerte Copy- Shops so gut wie nicht vorhanden. Aber: „Das große Geld ist da momentan nicht zu verdienen“, erklärte ein Sprecher der Bremer Firma Bethge & Strutz, „wenn wir die Geräte dort nicht mit Schiebekarren verhökern wollen.“ Man kooperiert mit drei Handelsgesellschaften in der Ex-DDR und geht den mühseligen Weg, TechnikerInnen und VerkäuferInnen auszubilden.

Die meisten Häuser im Osten der Republik sind marode, der Sanierungs-und Neubaubedarf riesig. Also Boom in der Baustoffproduktion? In der Grohner Fliesenfabrik hofft man das erst. Am Donnerstag wurde in Leipzig eine neue Lagerhalle eingeweiht. Aber die Auftragslawine bleibt bislang aus: „Die Eigentumsverhältnisse sind noch zu unklar.“

Solche Sorgen haben alle, die mit Süchten Geld verdienen, nicht. Im Bremer Stammhaus der Zigarettenfirma Brinkmann ist man stolz auf schon 20% Marktanteile in der DDR mit den Sorten Lord, Lux, Peer, Cartier, Dunhill und der eigens für die DDR erfundene Golden America. „Ein Drittel mehr Umsatz“ verspricht sich das Unternehmen 1990 durch das DDR-Geschäft, „wenn sich das Volumen hält“. Aber, so der Sprecher realistisch: „Wir rechnen damit, daß die erste West-Euphorie abklingt, daß das Rechnen mit Pfennigen beginnt.“

Schwer haben es die, die mit Luxuswaren handeln wollen. Nicht nur, weil die teuer sind, weil sich für alles, was im Westen als Designobjekte oder wegen hochwertigen Materials hoch bezahlt wird, im Osten erst einmal ein Geschmack herausbilden muß. Wilkens Silberwaren, mit heute 600 Beschäftigten ein alter Bremer Betrieb seit 1810, macht seit Monaten Schulungen in Warenkunde für Personal und HändlerInnen: „Die haben mit versilberten und silbernen Bestecken und Tischgerät nicht viel zu tun gehabt; mit dem Interesse für besseres Essen entwickelt sich erst allmählich auch Nachfrage nach Tafelsilber.“ Wilkens berät im Osten bei Ladeneinrichtungen und Werbung, erwartet aber so bald „keine weltbewegenden Umsatz-Zuwächse“.

Ein ähnliches Problem hat die Bremer “Chocoladenfabrik Hachez“. Sprecher Nauck: „Wegen unserer Hochpreisigkeit ist es schwierig, sich durchzusetzen, die Verbraucher definieren noch für sich, was Qualität ist.“ Nennenswerte Produktionsschübe? „Überhaupt nicht.“

Der Sommer war heiß, und die Menschen in der DDR hatten auch das dort immergleiche hausgemachte Eis satt: Von 100 Millionen auf 130 stieg der Umsatz bei Warncke Eis in Osterholz-Scharmbeck, sogar Lieferprobleme traten auf. Man vergrößerte die Belegschaft von 620 auf 760 MitarbeiterInnen.

Die Dinge des täglichen Lebens bringen's. Eduscho-Werbung ist in Ost-Berlin an einer Vielzahl von Bäckereien unübersehbar. „Wir wollen weder Kaffee noch Menschen in die DDR exportieren“, faßt der Sprecher die „Philosophie“ seiner Firma zusammen. Deshalb kooperiert man mit der Rösterei Venag in Halle: Die röstet den Eduscho- Kaffee fürs DDR-Gebiet. Über 2.000 Geschäfte, davon über 100 in Ostberlin bekommen Regale, Aufkleber, Werbung — und professionelle Kaffeemühlen gratis. Abgerechnet wird auf Provision. Das übliche Handels-Sortiment an Süßwaren , Tee, Schirmen, Töpfen kommt aus dem Westen. Trotz der „deutlichen Belebung“ im Geschäft kämpft Eduscho gegen die großen Konkurrenten Jacobs und Tschibo - und gegen den Trend zu Billig-Anbietern.

Trotz gestiegener Preise und allgemeiner Unsicherheit läßt sich aber keine BürgerIn im Osten die Wurst vom Brot nehmen. Wurstfirme Könecke verzeichnet „deutliche, bedeutende Zuwächse“, hatte gar Lieferschwierigkeiten. 200 MitarbeiterInnen wurden in Bremen, 30 in Delmenhorst neu eingestellt. Richtet sich im Osten der Geschmack nach dem Preis? Könecke: „Die Verbraucher wählen eher das Preiswerte!“ Susanne Paas