Heute über Südostasien

HEUTEÜBERSÜDOSTASIEN

Joseph Conrad hat für viele seiner Erzählungen und Romane Südostasien und besonders den indonesischen Archipel als Kulisse gewählt. Als Klassiker gilt Lord Jim (Diogenes 1974): der Kampf des Jim als Stellvertreter der jungen Generation der ersten zwei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts mit dem Meer, dem Heldentum und der eigenen Feigheit. Wie sehr die „weiße Seele“ den Tropen anheimfallen kann, beschreibt der ehemalige Seemann Conrad in Almeyers Wahn (Fischer TB 1980). Sieg (Fischer 1983), die Geschichte eines einzelgängerischen Adligen, plaziert in Surabaya und den Seewegen zu den Molukken, nimmt akribisch koloniale Charaktere, Abenteurer, Tingeltangelmädchen, aufrechte Seemänner ins Visier. Das Leben der Einheimischen erscheint diesen Europäern, so Conrad, „mehr als ein Schattenspiel“ denn als reale Existenz, geheimnisvoll, primitiv, doch furchteinflößend.

Für Südostasienfans sind Conrads Werke ein Muß.

Adolf Ellegard Jansens Die drei Ströme, Leipzig 1948, beschreibt die Frobenius-Expedition in die Molukken und nach Holländisch- Neuguinea zwischen 1937 und 1938 (nur in Bibliotheken und Antiquariaten erhältlich). Spannende Beschreibung über Ambon und den Schiffsweg dorthin sowie die Expedition auf die mythenumwobene Mutterinsel der Zentralmolukken, Ceram. Ceram hat sich seit der Expedition nur wenig mehr geöffnet. Unter den molukkischen Inseln, die als erste von den Holländern eingenommen wurden, hat sich Ceram als am widerstandsfähigsten erwiesen.

Beschreibung von sonst in Indonesien nicht vorhandenen Männerbünden, die dazu dienen, aus den Knaben eines Dorfes Männer des Stammes zu machen.

Pramodya Ananta Toer, Garten der Menschlichkeit, aus dem Indonesischen von Brigitte Schneebeli (Rowohlt-Taschenbuchverlag, Reinbek 1987): erster Band der sogenannten Buru-Trilogie, deren Brisanz nachzuvollziehen dem deutschen Leser zunächst schwerfällt.

Der linke und Indonesiens bekanntester Schriftsteller Pramoedya verschwand wie Tausende mit ihm in der Kommunistenverfolgung der Mittsechziger Jahre auf der Gefangeneninsel Buru. Dort entstand Garten der Menschlichkeit, der Roman über das erwachende Nationalbewußtsein der Indonesier in den zwanziger Jahren.

Minke, ein adliger Javaner aus Surabaya, erhält das „Privileg“, ein holländisches Gymnasium zu besuchen, doch bleibt er als Pribumi (Eingeborener) trotz hervorragender Leistungen diskriminiert. Unter dem Einfluß europäischen Denkens beginnt Minke das Wertesystem seines eigenen Volkes zu hinterfragen. Zugleich wird es aber auch der Maßstab, an dem Minke das Handeln der von ihm zunächst bewunderten Holländer mißt. Er gerät in den Sog der gesellschaftlichen Ächtung der Javanerin Ontosoroh, einer ungewöhnlich gebildeten und großherzigen Frau, die einst an den Holländer Herman Mellema als Konkubine verkauft wurde, als er sich in deren Tochter aus dem Mätressenverhältnis verliebt. Auch die Heirat bewahrt ihn nicht davor, wegen seines „unmoralischen“ Umgangs verachtet zu werden. Und zwar von seinen eigenen Leuten ebenso wie von den Weißen. Er erlebt, wie die einheimische Oberschicht mit den Holländern kollaboriert. Das „weiße“ Gesetz, von ihm einst idealisiert, bringt den jungen Javaner in Widersprüche, die ihn zur Symbolfigur des entstehenden Widerstandskampfes machen.

Die Trilogie ist in Indonesien verboten. Pramoedya ist von der Insel Buru entlassen. Nun lebt er als eine Art Staatsgefangener in einem Kampong, einem dörflichen Teil von Jakarta.

Vicki Baum, Liebe und Tod auf Bali, Erstveröffentlichung 1937 (Kiepenheuer & Witsch 1965/ 1984): ein Roman von der Götterinsel, der auf historischen Ereignissen beruht. Er umfaßt die Jahre 1904 bis 1906, als die Holländer sich schließlich auch über Bali hermachten, das sie in ihrer dreihundertfünfzigjährigen Anwesenheit im Archipel bis dahin verschont hatten. Die Beschreibungen Vicki Baums sowohl vom dörflichen Bauernleben als auch vom Hofleben der Adligen mit ihren Künstlern geben einen guten Einblick und wecken Verständnis für auch heute noch existente Sitten und Vorstellungen der Balinesen in ihrem Alltag und Glauben. Erika Brettschneider