SHORT STORIES FROM AMERICA VONMARCIAPALLY

Es gibt einen Job, den ich nicht mit der Feuerzange anfassen würde: Wahlwerberin in Saudi-Arabien. Nein, ich möchte wirklich nicht die Tante von der Wählerinnen-Liga sein, die unsere Jungs in Khaki beschwatzen soll, an den Kongreß-Wahlen in der kommenden Woche teilzunehmen. Ich stelle mir vor, wie ich vor diesen schwitzenden Gestalten stehe, mit ihren sich schälenden Gesichtern, wie sie sich Sandspinnen von den Stiefeln schnippen und krampfhaft versuchen, den Sand in ihrer Tarnunterwäsche zu ignorieren. „Zeigt euer Vertrauen in den demokratischen Prozeß“, müßte ich sagen, oder so was in der Art. „Unterstützt eure Regierung; bringt euch zu Gehör. Jede Stimme zählt.“

Gezählt — so fühlt sich garantiert jeder einzelne von ihnen, wenn er die Armeesalbe von den aufgesprungenen Lippen leckt. „Warum schwitzen wir denn hier“, höre ich irgendeinen Wehrpflichtigen aus Brooklyn sagen, „um die Benzinpreise niedrig zu halten, wenn der Kongreß sie gleich wieder erhöht?“ Der Kongreß verkündet, er müsse die Benzinsteuer erhöhen, um die Truppen bezahlen zu können, die den Benzinpreis niedrig halten. Das ist der Kongreß vor den Neuwahlen. Kein Wunder, daß sich alles zur Stimmabgabe drängt.

„Warum haben sie das Gesetz über den Benzinverbrauch nicht durchgehen lassen?“, sagt der Junge aus Withlacoochee in Georgia, der mit einer Hingabe auf seinem Zahnstocher kaut, die sonst in diesem Alter dem Walkman vorbehalten bleibt. Erkläre ihm mal, warum der Kongreß ein Gesetz ablehnte, wonach US-Autos nicht mehr als sechs Liter auf 100 km verbrauchen dürften, statt der jetzigen neun Liter. Dahinter steckte die Idee, die USA sollten von arabischem Öl weniger abhängig sein — das versteht auch ein Junge aus Withlacoochee. Wenn ich da draußen die Sanddünen rauf und runter joggen müßte und noch nicht mal ein Bier bekäme, (kein Alkohol, aus Achtung vor der einheimischen Religion), dann könnte ich mich der leisen Ahnung nicht erwehren, daß der Kongreß uns eigentlich gar nicht wieder zu Hause haben will. Ich kann mir richtig vorstellen, mit welchen Blicken es das Mädchen von der Wahlwerbung zu tun kriegt.

Was soll sie auch der Blüte der amerikanischen Jugend sagen: Vielleicht machst du einen Geier fett, nur weil das Land seine Spritsäufer behalten will? Die USA sind mehr als jede andere Industrienation vom Auto abhängig. Kanada hat 19 Prozent weniger Autos, Australien 28 (dabei sind das Länder mit großen ländlichen Gebieten, die wie der amerikanische Westen auf das Auto angewiesen sind). Deutschland — das Land mit der Autobahnraserei und dem 250-km/h-Porsche — hat vier Autos auf zehn Menschen gegenüber den sieben der USA und verbraucht 70 Prozent weniger Benzin. Die amerikanischen Autos sind auf öffentliche Unterstützung in Form von Straßen-, Brücken- und Tunnelbau und -unterhaltung angewiesen, auf Verkehrspolizisten, Maut-Personal, öffentliche Parkplätze, Schneebeseitigung und so weiter — was alles aus Abgaben und Steuern bezahlt wird. Aber die Erträge dieser Steuern waren immer viel niedriger als die Kosten der Unterhaltung der amerikanischen Straßen — etwa vier Milliarden Dollar pro Jahr weniger. Das heißt, die Regierung hat den Autoverkehr in den Vereinigten Staaten mit vier Milliarden Dollar jährlich subventioniert, das sind ein Dollar für jeden verbrauchten Liter Benzin oder acht Prozent des Bruttosozialprodukts.

Die Vereinigten Staaten mußten den ganzen letzten Monat ohne ein Budget auskommen, weil der Kongreß sich nicht darüber einigen kann, wie das Defizit verringert werden soll. Man könnte denken, daß die Verminderung der Abhängigkeit vom Auto kein schlechter Anfang wäre — und die Jungens in Arabien denken das ganz bestimmt. Schließlich würden wir damit nicht nur unsere Abhängigkeit vom Öl verringern, sondern auch den Anteil der Autosubventionen am Defizit. Wir würden auch Lärm und Luftverschmutzung vermindern und die Zahl der Unfalltoten senken. 635 Menschen starben im letzten Jahr bei Autounfällen allein in New York; 374 davon waren Fußgänger. In der U-Bahn kamen insgesamt 56 Menschen ums Leben — einschließlich der Morde, die in der Presse so groß aufgemacht werden.

Die Verminderung der amerikanischen Abhängigkeit vom Öl zwänge uns, die öffentlichen Transportmittel zu unterstützen und wie Europa, Kanada und Australien das Radfahren zu fördern. Aber kein Kongreßkandidat denkt darüber auch nur nach (in Großstädten wie New York sollen die Gelder für die öffentlichen Verkehrsmittel gekürzt werden). So langsam wird mir klar, wie jemandem in einem Camp in der Nähe von Riad diese Wahl vorkommen muß. Was sollen die Wahlwerber denn sagen — daß die Autopolitik der Regierung tatsächlich vernünftig und weitsichtig ist? Daß sie sehr geschickt darauf abzielt, die Luftverschmutzung zu fördern, die das Ozonloch vergrößert — weil dadurch der Einsatz von Sonnenenergie viel leichter wird? Das brächten noch nicht mal die Leute fertig, die immer noch mit Birkenstock-Sandalen herumlaufen.

Diese Wahlwerber haben tatsächlich ein schönes Stück Arbeit vor sich. Man stelle sich vor, wie sie einem Schwung Zwanzigjähriger, denen man ihr Bier und ihre Mädchen genommen hat (keine Playboys, siehe die einheimische Religion), Vertrauen in einen Kongreß einflößen sollen, der mit dem Budget Volleyball spielt. Wochenlang hat der Kongreß mit Steuererhöhungen und Kürzungen der öffentlichen Fürsorge herumjongliert, während die Regierung sich mit Überbrückungsgeldern über die Runden quält. Ich habe schon Erdbeben mit mehr sozialem Verantwortungsgefühl gesehen.

Am besten gefiel mir, wie die Demokraten schließlich einen Plan aus der Tasche zogen, um die Fürsorgeleistungen nicht zu beschneiden und die Steuern für die Reichen zu erhöhen, ein Budget, das sich vom Parteiprogramm der Republikaner immerhin unterscheiden ließ. Die gesamte Demokratische Partei schwor Stein und Bein, sie wolle wie ein Mann dafür stimmen, sobald das Gesetz den Kongreß erreichte — aber der Plan blieb im Finanzausschuß des Senats hängen, und der hat eine republikanische Mehrheit. Die Demokraten im Finanzausschuß mußten ihre Vorschläge zu den Fürsorgeleistungen und Steuererhöhungen fallenlassen, damit die Republikaner den Rest ihres Plans überhaupt aus dem Ausschuß in die allgemeine Diskussion entließen. Wenn das kein System ist, das Vertrauen schafft.

Na schön, sagt die Wahlwerberin. Wenn du die Demokraten für einen Haufen Mistkerle ohne Rückgrat hältst, dann wähle halt die Republikaner. Aber um Gottes willen: wähle! Na klar, sagt der Junge aus Withlacoochee und rechnet mal kurz durch, wieviel Zahnstocher er sich mit seinem Wehrsold von 250 Dollar die Woche leisten kann. Die Republikaner, das sind doch die, die die Steuern für die Reichen nicht erhöhen wollen, obwohl fast ein Drittel des amerikanischen Reichtums 1,6 Prozent des Volkes gehört. Das sind doch die, die das Steuersystem nicht ändern wollen, nach dem 1,6 Prozent des Volkes 4,3 Billionen Dollar besitzen, mehr als das Bruttosozialprodukt des Landes. Und sind das nicht auch die, die die Kapitalertragssteuern nicht erhöhen wollen, obwohl in den letzten zehn Jahren das reichste Prozent der Amerikaner um 87 Prozent reicher wurde, in erster Linie durch Kapitalerträge, während Amerikas ärmste Haushalte um fünf Prozent ärmer wurden? Die Republikaner, sagt Withlacoochee, machen mir Spaß.

Wenn der Kongreß den Steuersatz für die bestverdienenden fünf Prozent der Amerikaner auf 38 Prozent steigern würde (von jetzt 33 — unter Nixon und Ford waren es 70 Prozent), könnte er sich 65 Milliarden verschaffen und das Defizit um 65 Milliarden senken — mehr als der Kongreß für dieses Jahr erhoffte. Warum einen Kongreß wählen, der mit all seinen kombinierten Taschenrechnern diese Rechnung nicht zustandebrachte?

Wie können die Wahlwerber Vertrauen in eine Regierung schaffen, wenn der Präsident unsere Truppen in ein Sonnenbad schickte, das sie niemals vergessen werden, und dann in Urlaub ging und seine Kriegskommuniqués von seinem Golfwägelchen aus erließ? Oder wenn er auf einem Boot herumtuckert, das hundert Liter Benzin pro Stunde verbraucht? Oder wenn er Gorbi ermahnte, in den baltischen Staaten keine Gewalt anzuwenden, und dann in Panama einfiel, um einen Zwei-Groschen-Diktator zu fangen, mit dem er jetzt, wo er ihn hat, nichts anzufangen weiß? Warum sollten unsere Jungens in ihrer Tarnunterwäsche eine Regierung unterstützen, die gegen die UN-Konvention über die Rechte von Kindern stimmte? Es muß unseren Truppen, während sie das Wasser und die Tage zählen, einen ungeheuren Auftrieb geben, daß nur ein einziges anderes Land auch nicht für die Rechte der Kinder stimmte: der Irak.

UNSREJUNGSINSAUDI-ARABIENUNDDIEKONGRESSWAHLEN