Norwegens neue Regierung mit Frauen-Rekordanteil

Oslo (taz) — Am Samstag stellte die neue norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ihr Kabinett vor. Was den Frauenanteil angeht, übertraf sie den eigenen damaligen 40-Prozent-Rekord ihrer letzten Regierungszeit: Bei neun Ministerinnen von insgesamt 19 Kabinettsmitgliedern ist die halbe Regierung weiblich. Dabei wurde erstmals seit zwei Jahrzehnten das „klassische“ Frauenressort Familienministerium von einem Mann besetzt. Kulturministerin wird Ase Kleveland, eine populäre Schlagersängerin, vor einigen Jahren Vertreterin ihres Landes beim Grand Prix Eurovision de la Chanson. Ins Außenministerium wechselte der bisherige UN-Flüchtlingskommissar Thorvald Stoltenberg. Als Schwerpunkte ihrer Regierungsarbeit bezeichnete sie die Wirtschafts- und Strukturpolitik, hier insbesondere die wachsende Arbeitslosigkeit.

Die sozialdemokratische Minderheitsregierung löst eine aus Konservativen, Zentrum und Christlicher Volkspartei bestehende bürgerliche Koalition ab, die am vergangenen Montag wegen Differenzen in der Europapolitik bereits nach einem Jahr im Amt auseinandergebrochen war. Auch für die neue Regierung wird die Suche nach einer stabilen europapolitischen Mehrheit im Parlament ein Hauptproblem werden. Eine starke Minderheit in der Sozialdemokratischen Partei ist strikt gegen den von der Mehrheit gewünschten EG-Beitritt des noch zur Efta gehörenden Landes. Im Parlament ist die Partei überdies zur Mehrheitsbeschaffung auf die Linkssozialisten und das Zentrum angewiesen, die beide Gegner einer EG-Mitgliedschaft sind.

Eine der ersten heiklen Fragen, denen sich die neue Regierung gegenübersieht, ist eine peinliche Hinterlassenschaft der letzten von ihr geführten Administration: norwegische Waffen werden von der Regierung El Salvador zum Kampf gegen die Bauern und die Befreiungsbewegung eingesetzt. Es handelt sich hierbei um insgesamt 5.000 Raketen vom Typ M 72 der Raufoss-Waffenfabrik, die an die USA geliefert wurden. Der Weiterexport durch die USA dürfte für Norwegen nicht ganz unerwartet gewesen sein. Einige Zeit vor der in Frage stehenden Lieferung wurde eine ähnliche Bestellung aus Washington abgelehnt, just mit der Begründung, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die USA die Waffen an El Savador weitergeben würden. Warum Brundtlands damaliger Handelsminister Balstad trotzdem grünes Licht für das Exportansuchen gab, wird nun ihre neue Regierung beantworten müssen. Ein norwegischer Journalist entdeckte durch Zufall mit norwegischen Waffen ausgerüstete salvadorianische Regierungssoldaten. Ein anderes Herstellerland als Norwegen gibt es für den fraglichen Reketentyp nicht. Die Sozialistische Linkspartei hat die Affäre jetzt vor das Parlament gebracht. Reinhard Wolff