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Machtmißbrauch

■ betr.: "Unterm Strich" (Willi Sitte: "Feigheit in dieser Zeit"), taz vom 23.10.90

betr.: „Unterm Strich“ (Willi Sitte: „Feigheit in dieser Zeit“),

taz vom 24.10.90 (Kulturteil)

Lieber Willi Sitte, Beschützer von Bärbel Bohley, Freund Wolf Biermanns!

Ich liebe Euch alle! Und mein ehrliches Herz — auch die Kunststrategen im Dritten Reich haben das „Völkische“ oft ehrlichen Herzens vertreten. Schlimm nur, wenn sich die eigene Beschränktheit mit Macht paart.

Ein Maler muß sich natürlich von bestimmten künstlerischen Strömungen abgrenzen und seine Sache verfolgen, aber das Ausgrenzen durch Sie war Machtmißbrauch. Und gerade das, mein lieber Willi Sitte, haben Sie flächendeckend betrieben. Sie haben Ihren DDR-Kollegen Ausstellungsprojekte versaut (mir in Wien) und existenzerhaltende Aufträge hinterlistig abgewürgt.

Als ich 1984 einen Auftrag für die Wandgestaltung in einer Filiale der Dresdner Bank bekam und sich die Auftraggeber an Sie und den Staatlichen Kunsthandel wandten, schrieben Sie in heimtückischer Weise hinter meinem Rücken an den Auftraggeber: „Es will mir nur schwer verständlich werden, warum Sie den geplanten Auftrag gerade Eberhard Göschel übertragen wollen. Er lebt in der Deutschen Demokratischen Republik, gehört unserem Verband Bildender Künstler an, aber er hat sich selbst bewußt an die Peripherie unseres künstlerischen Geschehens begeben. Seine künstlerischen Auffassungen orientieren sich auf bestimmte stilistische Richtungen auf dem kapitalistischen Kunstmarkt... Ich kenne eine größere Anzahl junger Leute in dieser Situation, die ich für viel talentierter, künstlerisch qualifizierter und förderungswürdiger halte als zum Beispiel Eberhard Göschel.“

„Ich habe die Freiräume, die wir hatten, für andere genutzt“ — bei dieser „Altersweisheit“ im NBI-Interview kommt mir die Galle hoch. Daß Sie sich an nichts mehr erinnern können, zeigt nur, daß Sie sich mit Ihrer Gewissenlosigkeit nahtlos in die Reihe der verdorbenen Greise der ehemaligen Staatsführung einreihen.

In bleibender Erinnerung habe ich auch Ihr Angebot, mir bei einem Ausreiseantrag behilflich zu sein — obwohl ich doch gar keine derartige Absicht geäußert habe. Eberhard Göschel, Dresden

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