: Rechtsradikale gegen Tabori-Stück
■ Allgäuer rechtsextreme Rowdies wollen Theateraufführung des Tabori-Stückes "Mein Kampf" verhindern/ Das Ensemble läßt sich nicht unter Druck setzen und hält an der Premiere fest
Memmingen/Kaufbeuren (taz) — Eingeschlagene Fensterscheiben, Drohanrufe und zerfetzte Plakate. Und das alles nur wegen eines erfolgreichen Theaterstücks. Das ist in Kaufbeuren im Allgäu harte Wirklichkeit. Seitdem bekannt ist, daß die örtliche Kleinkunstbühne „Podium“ am 11. November das Tabori-Stück Mein Kampf zur Aufführung bringen will, „läuft eine Art Reichskristallnacht bei uns ab“, sagt Peter Brosche, ehrenamtlicher „Manager“ des „Podium“. Vor knapp zwei Wochen kam es sogar zu einem versuchten Brandanschlag. Verkohltes Papier und ein Feuerzeug wurden am Tatort gefunden. Und eine Lederjacke. Nach ersten Polizeierkenntnissen ist es die Jacke eines US-Soldaten, die zuvor gestohlen worden war. Ganz offensichtlich, um eine falsche Fährte zu legen. Das Feuer ist jedoch von selbst ausgegangen, die versuchte Brandstiftung wurde erst einige Tage später bemerkt.
Kaufbeuren ist bekannt als Hochburg rechtsextremer Gruppierungen im Allgäu. Bis vor kurzem galt die südbayerische Stadt als Zentrale der „Deutschen Freiheitsbewegung“ (DDF) und der rechtsradikalen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP).
Der Druck auf Podium-Aktive wird immer massiver. Vor wenigen Tagen ist Peter Brosche bedroht worden. „Als ich allein in der Kleinkunstbühne arbeitete, kam ein anonymer Anruf. Ein Mann hauchte mit schwer verständlicher Stimme: „Am 11.11. wird unser Kampf erfolgreich sein.“
In Taboris Stück, das an jenem 11.11. in Kaufbeuren in der Inszenierung des Landestheaters Schwaben (LTS) aus Memmingen gespielt werden soll, geht es um die merkwürdige Männerfreundschaft zwischen dem Juden Schlomo Herzl und Adolf Hitler; geht es darum, eine mögliche Verkettung von Opfer und Täter aufzuzeigen. Der Bauerntölpel Hitler wird in Taboris Mein Kampf erst durch den Juden Herzl zu dem geformt, was die Welt später als Hitler kennenlernen sollte. Fazit des Juden Tabori: Hitlersche Züge stecken in jedem von uns.
Nach allem was bislang geschehen ist, wird es wohl am 11. November wieder soweit kommen wie schon einmal, als im „Podium“ in Kaufbeuren Texte einer jüdischen Dichterin gelesen wurden oder als es vor einer Veranstaltung erheblichen Ärger gab, in der es um Autoren ging, deren Bücher von den Nazis verbrannt wurden. Doch die Podium-Mitglieder und das LTS-Ensemble wollen sich nicht unterkriegen lassen. Intendant Norbert Hilchenbach: „Natürlich hat man Angst. Keiner begibt sich gerne an einen Ort, wo er damit rechnen muß, daß er — salopp formuliert — eine in die Schnauze bekommt.“
Daß es tatsächlich zu Gewaltakten kommt, glaubt der seit 1982 in Kleinkunstverein aktive Peter Brosche nicht. „Die würden doch sofort geschnappt. Und die wollen meines Erachtens auch nur Druck machen, uns im Vorfeld verunsichern.“ Aber Angst hat Brosche trotzdem. Davor nämlich, daß vor lauter Furcht die Menschen sich nicht ins Theater trauen. Und das wäre dann eben doch ein Erfolg für diese Leute. Klaus Wittmann
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