Unreif für die Insel

■ „Roter Fels und brauner Mythos“ — neues Buch eines Bremer Journalisten über Atlantis

Die Steigerung von sagenhaft ist Atlantis. Ja, jenes Eiland in the formerly sun und insulanes Götterliebchen, das gewaltig versank und dabei Wellen machte, die kann man sich nicht vorstellen und darum fantasiert man drüber. Atlantis ist wie hochprozentiger Küsten-Nebel von Avalon: Nichts Genaues weiß man nicht gewiß, seit Grieche Platon weiland vage Kunde darüber erhielt.

Es ist aber zu wunderfantastisch möblierbar, dies Inselreich der Inselreiche, besungen von Donovan bis Danzer, um es auf sich beruhen zu lassen; und außerdem ist es im Mythos so behaglich, daß sich raunige Mythologen häuslich darin einrichten kön

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Mann-Paßfoto

nen. Kurzum: Atlantis liegt festverankert auf dem Grund kollektiven Entschlüssel-Willens. Möglicherweise schwimmen irgendwo auch reelle Fische dran vorbei und wissen gar nicht, wo sie sind. Vielleicht vor Helgoland?

Die Konkretion Utopias, den realen Ort, möchte, — klammheimlich, aber doch — jeder finden, der sich forschend mit dem magischen Königreich befaßt hat. Auch Arn Strohmeyer. Der Bremer Journalist ist aber kein Knabenmorgenmythenträumer wie die meisten seiner mit Atlantis infizierten „Forscherkollegen“, sondern ein sehr kritischer, zurückhaltender Exeget seines Glaubens, daß Helgoland der rote Rest von Atlantis ist. Damit macht er sich mit der These des pensionierten Helgoländer Pa

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Buchumschlag

stors Jürgen Spanuth gemein, ein besessener Atlantoide, der aufregend hiebstichfeste Beweise für Atlantis=Helgoland vorlegen kann.

Arn Strohmeyer ist in seinem jetzt erschienenen Buch „Roter Fels und Brauner Mythos“ — Untertitel: Eine deutsche Reise nach Atlantis (Verlag R.G.Fischer) — nicht nur der Geschichte von Atlantis auf der Spur, sondern vor allem den zwielichtigen Typen, die Atlantis-Helgoland umschwirren wie Schmeißfliegen und die Überlegenheit bzw. das Herrenmenschentum der nordischen Rasse aus ihm ableiten wollen. Atlantis, so Strohmeyer, ist ein „Irrgarten des Irrationalismus“, in dem die Insel Symbol wird für „esoterisches Lichtreich oder braunen Überheblichkeitswahn“. Wie das?

Wir lernen, daß gefährliche Ideologen und New-Age-Vorreiter - wie u.a. ein gewisser Hanns Hörbiger in den 20erJahren mit seiner Welteislehre — verquaste Herleitungen von Atlantis-Gottmenschen sich aus den Gehirnen saugen: Nordische Lichtbringer sollen die Atlanter gewesen sein für die an deutschnationalem Größenwahn Leidenden, und Helgoland Zentrum eines frühgermanischen Atlantis-Reiches. Klein ist der Sprung zu den Nazis und ihrem reinrassigen Nordländer, der von Atlantis-Helgoland in alle Himmelsrichtungen aufgebrochen sein sollte, um die Welt zu erlösen. Nicht ex oriente lux, nein, das Licht sollte aus dem Norden kommen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ging die völkische Esoterik weiter und mündet heute durchaus in atlantische Reinkarnations-Gläubige.

Ein Gebirge an Fakten, Mythen, Scharlatanen, aber auch an Ideologie-Geschichte erhebt sich in Gestalt von Strohmeyers Buch vor uns, dem man sich nur archäologisch nähern kann, d.h. beharrlich Wissen abtragen. Aber liegt Atlantis nicht auch tief versunken? Ach Atlantis! Claudia Kohlhase