Junkies schlafen ab heute im Bunker

■ Um 21 Uhr wird der Bunker Delmestraße für obdachlose Drogenabhängige aufgeschlossen

Die 17 DemonstrantInnen, die gestern nachmittag im Sitzungssaal der Sozialsenatorin aufkreuzten, waren bescheiden. Sie verlangten für die nächsten Herbst- und Winternächte nicht mehr als eine Bettstatt, die ihr Überleben mehr garantiert als ein Parkhaus oder ein Hauseingang. Als ihnen vom Vertreter der Sozialsenatorin, Leppin, ein Schlafplatz im Bunker Delmestraße in Aussicht gestellt wurde, erhob sich denn auch kein Protest. Einige der BesucherInnen waren sogar froh, jetzt mit Asylbewerbern gleichgestellt zu werden. Denn am 22. und 23. Oktober hatten Sozial- und Innenbehörde als Notbehelf zwei Bunker (Scharnhorst- und Friedrich-Karl-Straße) für männliche Asylbewerber geöffnet.

Bei den 17 DemonstrantInnen gestern handelte es sich um Junkies, begleitet von MitarbeiterInnen des „Arbeitskreis Kommunale Drogenpolitik“. Ein Junkie argumentierte: „Heute morgen habe ich Frost auf den Autoscheiben gesehen. Die Leute, die wirklich mit dem Arsch auf der Straße liegen, die verrecken.“ Ein anderer: „Ich bin mehr oder weniger obdachlos. Wohne vorübergend bei Freunden. Ich habe auch schon draußen geschlafen. Ich bitte, daß ich 'ne Wohnung hab'.“ Eine dritte fragte: „Asylanten, sind die besser als wir?“

Ergebnis der Verhandlungen mit den Behörden-VertreterInnen: Heute abend um 21 Uhr steht der Bunker in der Delmestraße (Neustadt) zum Übernachten offen für obdachlose Drogenabhängige. Der Bunker wird beheizt sein, auf den Pritschen werden Matratzen liegen. Morgens um zehn müssen die Junkies wieder draußen sein. Acht Honorarkräfte des „Arbeitskreis Kommunale Drogenpolitik“ wollen im Zweischichtbetrieb die Betreuung übernehmen. Doch im Gegensatz zu den beiden Bunkern, die Asylbewerber „beherbergen“, hat die Sozialbehörde für den Junkie- Bunker noch keinen Langfrist- Träger gefunden. Der überlastete „Arbeitskreis“ erkärte sich deshalb bereit, übergangsweise bis Anfang nächster Woche die Trägerschaft zu übernehmen.

Die Arbeiterwohlfahrt, zuständig für die die Asylbewerber in den beiden Bunkern, hatte bei den Junkies nicht zuletzt aus Personalnot abgewunken. Ihr Geschäftsführer Hans Taake zur taz: „Wenn ein besonders psychisch als auch physisch belasteter Personenkreis wie die Drogenabhängigen in diese erdrückende Situation Bunker kommt, gehen wir davon aus, daß sie das nicht verarbeiten können und 'abdrehen'. Zweitens gehen wir davon aus, daß wir keine Mitarbeiter finden, die die Arbeit unter diesen Bedingungen leisten können.“

Im Gegensatz zu den Asylbewerbern wird es für die Junkies im Bunker auch keinen Rund-um- die-Uhr-Betrieb und kein Mittagessen geben, sondern nur Bettstätten. Helmut Oppermann vom „Arbeitskreis Kommunale Drogenpolitik“ hatte unter Zeitdruck eine Liste der Notfälle zusammengestellt.

Auf dieser Liste standen gestern 44 „akut obdachlose“ Junkies. Davon sind zehn in „normalem gesundheitlichem Zustand“, 21 „gesundheitlich gefährdet“, sechs „akut gefährdet“ und drei haben gerade einen Selbstmordversuch hinter sich.

„Es ist schon weit gekommen“, meinte gestern beim Auszug aus dem Sitzungssaal einer der Junkies, „daß man jetzt schon froh ist, wenn man im Bunker schlafen kann.“

Ob die Junkies tatsächlich die Bettstatt im Bunker in Anspruch nehmen werden, bleibt abzuwarten. Unter den Asylbewerbern, denen Bunkerplätze zugewiesen werden, kommt es — so eine Mitarbeiterin — tagtäglich vor, daß sie in den Bunker reinschauen „und mit Schrecken wieder rausgehen“.

Barbara Debus