STANDBILD
: Die Sonne Kaliforniens

■ "Trilogie der vergangenen Träume", Mo., 5.11., ZDF, 22.10 Uhr

Richard Johnson, ein Spezialagent zur Bekämpfung der Drogenkriminalität, lebt und arbeitet in Los Angeles. Die Größe der Metropole erlaubt es, daß Johnson in derselben Stadt als Familienvater seinen Rasen pflegt und als Undercover-Agent arbeitet. Sinnbildlicher können die Extreme dieser Kapitale des Verbrechens und der Bandenkämpfe nicht sein. „Es herrscht Krieg“, heißt es einige Male im Laufe der Sendung, und tatsächlich sieht es in einigen Stadtvierteln aus wie im Libanon — es gibt keine Geschäfte mehr, keine Kinos oder Kneipen; der Schulunterricht und kirchliche Veranstaltungen finden unter bewaffnetem Schutz statt.

Hier verrichtet Richard Johnson einen Großteil seiner Arbeit. Drei Wochen lang blieb Hartmut Schoen an seiner Seite, nachdem er ein Jahr lang über die Drehgenehmigung verhandelt hatte, die ihm schließlich unter strengen Auflagen gewährt wurde. So war die Kamera dabei, als Johnson konspirativ ein Zimmer in einem Stundenhotel anmietete, mit einem Spitzel verhandelte (dessen Gesicht unverantwortlicherweise nur unzureichend getarnt wurde), einen Kleindealer verhört, ein fingiertes Rauschgiftgeschäft abschließen ließ oder mit seiner Spezialeinheit eine verdächtige Wohnung stürmte. Das war Miame Vice live, das sind jene Bilder, die Johnson sieht, wenn er nach getaner Arbeit im Wohnzimmer eine der vielen TV-Serien einschaltet. Johnson trägt keine Anzüge von Boss, und er besitzt weder Yacht noch Ferrari. Aber Klischees werden wahr, wenn da ein Agent einen Rauschgifthandel abwickeln will und plötzlich ein Streifenwagen auftaucht, dessen Besatzung von der Aktion nicht informiert wurde, und die erwarteten Dealer zu verscheuchen droht.

Spannende Augenblicke, denen Schoen aber mit seinem sachlichen Kommentar das Moment voyeuristischer Sensationsgier zu nehmen versteht. Seinem Team gelangen spektakuläre Bilder, aber die dichtesten und intensivsten Szenen hat die Dokumentation, wenn Ruhe einkehrt, Richard Johnson durch die Straßen fährt und räsonniert. „Ich habe ein inneres Gefühl“, sinniert er, „das sagt, daß Menschen zu töten etwas Schreckliches und Furchtbares ist. [...] Wenn es dazu kommt, daß man die Waffe einsetzen muß, dann ist man innerlich ohnehin in einem riesigen Tumult, in dem Sinn, daß man nur ans eigene Überleben denkt. Ich denke dann: Wenn ich jetzt nichts tue, dann werde ich sterben. Darauf läuft es hinaus. Und dann muß du es tun. Ab diesem Moment hört man auf, klar zu denken. [...] Danach fühlt man sich wie benebelt. [...] Man versucht, nicht darüber nachzudenken.“ Hartmut Schoens Verdienst ist es, diese Worte durch Bilder plausibel gemacht zu haben. Manchmal denkt Johnson daran auszusteigen. Aber voerst wird es weitergehen wie bisher. Seine letzten Worte im Film sind: „Excuse me — business!“ Herr Dittmeyer

Der zweite Teil der Trilogie mit dem Titel „Florida: Die Orgie“ folgt kommenden Montag um 22.15 Uhr