Hexenjagd in Hollywood

Über den neusten Mediensport in den USA, das „outing“  ■ Von Jerry Lazar

Neulich, bei einer Benefizveranstaltung der Schwulenbewegung, unterhielt sich eine Prominente aus Hollywood mit einem Filmstar. Der Star war unruhig: „Werde ich der nächste sein auf der Titelseite des 'National Enquirer‘?“ Er versuchte, sich an alle Männer zu erinnern, mit denen er geschlafen hatte, versuchte herauszufinden, wer ihn verraten haben könnte, wer das Geld gebraucht haben könnte...

Der Schauspieler hatte Angst, zum nächsten Opfer des neuesten Mediensports Hollywoods zu werden — des outing —, bei dem das Sexualleben der Stars aus der Unterhaltungsbranche und im besonderen die Tatsache, ob sie homosexuell sind, ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird. Diese neue Form des Klatsches wurde maßgeblich vom 'Time Magazine‘ gepflegt und vom 'National Enquirer‘ aufgegriffen, auf dessen Kappe auch das outing von John Travolta geht (Travoltas Agent dementierte den Bericht). Und jetzt — so berichten Beobachter der Showbranche — fragen sich weit prominentere Schauspieler als John Travolta, ob sie wohl der nächste sein werden.

Einige Klüngel aus der Schwulenbewegung sehen einen Vorteil darin, wenn die eigenen Reihen mit Reichen und Berühmten aufgewertet werden. Wenn schon nicht als (frei)willige Rollenmodelle, dann aber bestimmt als mächtige Verbündete im Kampf gegen Aids und die Schwulen-Angst. Die meisten Journalisten aber — homosexuell oder nicht — können sich nicht vorstellen, an dem moralisch zweifelhaften Mediensport teilzunehmen. Besonders nicht an der platten, bösartigen Variante, die die Sensationspresse favorisiert. Es gab geradezu eine Flut von gewinnbringenden Angeboten derjenigen, die sich angeblich schon mal mit einer Berühmtheit gleichen Geschlechts eingelassen hatten. In der Tat hatten der 'Star‘ und 'National Enquirer‘ die Bettpartner der Berühmten und Schwulen mit fünfstelligen Summen dazu animiert, schon deshalb, weil sie damit rechneten, Millionen von Exemplaren an ein Publikum verkaufen zu können, dem die Reportagen über berühmte Drogenmißbraucher und Ehebrecher mittlerweile zum Hals heraushängen. Fast ist es so, als hätten sie endlich ein Tabu gefunden, mit dem man Mittelamerika immer noch schocken kann.

Was für positive Aspekte diese Sexualreporte — nehmen wir einmal an, sie seien wahr — auch haben mögen: für die, die es trifft und für die Gesellschaft schlechthin bleibt der Vorteil zweifelhaft. Janet Charlton, die Klatschkolumnistin des 'Star‘: „Jeder Agent oder Verleger, der einen homosexuellen Schauspieler oder Autor betreut, ist zur Zeit ein nervöses Wrack. Sie sind ganz starr vor Schreck. Besonders, wenn es diejenigen trifft, die jenseits jeglicher Kritik waren. Schauspieler von Macho-Rollen rätseln auf den Empfängen, wer wohl als nächster ge-outet wird.“

Die Klatschkolumnistin der New Yorker 'Daily News‘, Liz Smith, die auch für 60 weitere US-Zeitungen schreibt, hält das ganze outing-Geschäft für eine schlechte Sache. Nicht nur für die Opfer, sondern für die ganze homosexuelle Szene: „Es ist ekelhaft. Es ist ein meinungsumwitterter Slum innerhalb des Klatsches entstanden, der vorher nie existiert hat. Es macht Homosexuelle runter und stellt sie als nuttig dar. Die meisten meiner Freunde sind Journalisten und können nicht glauben, was da passiert. Diese kleinen homosexuellen Randgruppen benutzten die gleichen faschistischen Methoden, unter denen sie selbst zu leiden hatten — so wie ein Skorpion, der sich selbst auffrißt. Sie haben keine wirkliche Ideologie; sie geifern nur nach Aufmerksamkeit.“

Outing hat nicht nur im Herzen von Hollywood Angst entfacht, es hat auch die Schwulenbewegung gespalten und ebenso die Journalisten. Es hat eine unheilige (um nicht zu sagen unglaubliche) Allianz zwischen der homosexuellen Presse und der Sensationspresse entstehen lassen. Tumulte und Spekulationen um und über die sexuellen Vorlieben von Prominenten sind nichts Neues. Aber jetzt sind es zum ersten Mal wirkliche News.

„Outing“ ist ein Phänomen, das zuweilen paradox und ironisch anmutet. Homosexuelle, die jahrelang für ihr Recht auf Privatheit gekämpft haben, waren die ersten, die über ihre prominenten Mitbrüder den Stab gebrochen haben. Ihr Motiv? Im Zeitalter von Aids — in dem zahlenmäßige Stärke wichtig ist — ist es unerläßlich, die Scheinheiligkeit jener Schwulen und Lesben zu entlarven, die sich zum Schutze vor der Öffentlichkeit und zur Wahrung ihres Images nicht zu erkennen geben. Verzweifelte Zeiten verlangen verzweifelte Methoden. Gefährdete Leben, so argumentieren sie, haben Vorrang vor gefährdeten Karrieren. Frustriert darüber, daß ihre Freunde infolge der öffentlichen Nichtbeachtung von Aids nach und nach wegsterben, wollen sie partout Verbündete finden bzw. dem Rest Amerikas zeigen, daß Homosexuelle nicht nur eine Randgruppe der Gesellschaft sind, sondern auch ihr kulturelles Herz.

„Ich bin nicht einverstanden mit der Idee, daß die Schwulen sich erheben und zählen lassen sollten“, kontert Liz Smith. „Wenn jede homosexuelle Person in Amerika ein coming out hätte, würde sich nichts, aber auch gar nichts ändern, was Aids angeht.“ Aber homosexuelle Journalisten, die das outing befürworten, sind der Meinung, nur ihren Job zu tun, indem sie Unwahrheiten enthüllen und der Wahrheit zu ihrem Recht verhelfen. Erzürnt darüber, daß die Mainstream-Presse das weitermacht, was sie als wahrheitsverfälschend abtun, entscheiden sie sich dazu, das zu drucken, was ihnen als die Wahrheit erscheint. Wenn die sexuellen Ausschweifungen eines Donald Trump für eine Titelstory taugen, warum nicht auch die sexuellen Ausschweifungen von Homosexuellen? Einige wenden ein, daß sie lediglich die Absicht hätten, die offizielle Geschichtsschreibung zu korrigieren. Andere betonen die Bedeutung der Vordbildfunktion für andere junge Homosexuelle — obschon ein Homosexueller, der zwangsweise als solcher bekanntgemacht wurde, kaum dazu taugt, den Helden zu spielen. Am ehesten läßt sich noch akzeptieren, daß homosexuelle Aktivisten homosexuelle Gesetzgeber bloßstellen, die Gesetze gegen Homosexuelle machen.

Die meisten homosexuellen Journalisten unterstützen das outing jedoch nicht. James Revson von den 'New York News‘ vergleicht es mit Methoden aus der McCarthy-Ära. Obwohl es stimmt, daß die Kommunistenhatz in den fünfziger Jahren ein Regierungsunternehmen war, das sich gegen Individuen richtete, unterstreicht Revson, daß es doch immer auch „einzelne waren, die mit dem Finger auf andere Leute zeigten“. Das einzig Positive am outing ist, so Revson, daß es eine nationale Diskussion über Schwulen- und Lesbenthemen provoziert.

Der preisgekrönte Autor und Reporter Randy Shilts, der als erster über die Aids-Krise geschrieben hat, meint, daß outing von „Leuten mit hohen moralischen Prinzipien“ angefangen worden sei. Jetzt werde es von den Leuten mit den niedersten moralischen Prinzipien weitergemacht.

40.000 Dollar für die Titelstory über John Travolta

Janet Charlton vom 'Star‘ macht keinen Hehl daraus, daß ihr Kriterium für den Wert einer Nachricht der zu erwartende Verkaufserfolg ist. Pikanterweise ist der 'Star‘ von Rupert Murdoch, dem auch 20th Century Fox gehört, aufgekauft worden. Begreiflicherweise könnte es ihn treffen, wenn ein Star der Fox-Filme ge- outet würde. In der Tat: Charlton glaubt, daß der 'Star‘ die Malcolm Forbes-Story (Forbes wurde kurz nach seinem Tod dieses Jahr von der Schwulenzeitschrift 'Outweek' ge- outet) nicht druckte, eben weil er „ein guter Freund von Rupert Murdoch“ war. Outing-Stories können zu „unvorstellbaren Figurenkonstellationen“ führen, sagt sie. „Jede Story, die sich gut verkauft, bringt uns dazu, sie auch zu verfolgen. All diese quackelnden Leute, die sagen: ,Wie konntest du das tun?‘ sind auf dem besten Wege, sie zu kaufen. Alle möglichen Leute rufen mich dauernd an und fragen: ,Wer ist als nächster dran?‘“

Beide, sowohl der 'Star‘ als auch der 'Enquirer‘, besitzen einen eigenen Reporterstab, der den Tips der angeblichen ehemaligen Liebhaber nachgeht. „Es muß schon mehr als ein Wochenendausflug sein, der acht Jahre her ist,“ sagt Charlton,.„wir brauchen Liebesbriefe, Photos, Zeugen — alles, was zur Gültigkeit der Geschichte beitragen kann.“ Einen guten Teil der Verlockung, eine Story preiszugeben, könnten die schätzungsweise 5.000 bis 20.000 Dollar ausmachen, die der 'Star‘ für guten Stoff zahlt. (Eine Quelle berichtet, daß der 'Enquirer‘ Paul Barresi 40.000 Dollar für die Titelstory über Travolta gezahlt hat.)

Wie alle Journalisten jagen die Sensationsreporter ihre Beute, indem sie Fährten legen und das Vertrauen der den Stars nahestehenden Quellen gewinnen — Familienmitglieder, Freunde, Kollegen und (viel produktiver noch) verärgerte ehemalige Beschäftigte. Sie schmeicheln sich bei Hotelangestellten ein, damit diese ausplaudern, wie die Stars wohnten. Sie beschwatzen die Mitglieder der Filmcrew, jedes irgendwie verdächtige Verhalten zu melden. Anders als ihren Kollegen von der Mainstreampresse wurde den Reportern der Sensationspresse nicht nur vorgeworfen, daß sie Geld bieten, sondern auch, auf ethisch fragwürdige Kniffe zurückgegriffen zu haben. Wie zum Beispiel das Recherchieren unter falschem Namen. Aber sind die Leser denn wirklich überrascht, wenn sie erfahren, daß Stars schwul sein können — besonders, wenn diese Tatsache in Hollywood längst bekannt ist? „Wenn sie es nicht glauben wollen, werden sie es nicht glauben“, meint Charlton.

Als der 'Star‘ in lesbische Gefilde eindrang und die Tochter einer Sängerin outen ließ, „wurde dafür mindestens zweieinhalb Monate lang recherchiert“, erzählt Barry Levine, der Chef des Westküsten-Büros des 'Star‘. „Unsere Gewährsperson war jemand, der der Sängerin so nahestand, daß sie selbst verblüfft wäre, wenn sie erführe, wer es war. Wir hatten fünf Reporter auf die Geschichte angesetzt, und alle wären in der Lage gewesen, den Bericht zu bestätigen (der Bericht wurde von den Betroffenen dementiert). Es war interessant zu sehen, wie sie (die Sängerin) auf das Problem reagieren würde, das auch andere Mütter in Amerika betrifft. Dieses Thema war nicht für die Ausschlachtung durch die Mainstream-Presse gedacht. Es wurde nicht aus purer Sensationsgeierei gemacht.“

Dann kam 'Outweek‘ mit der Forbes-Story im März und war damit der Vorreiter für eine neue Stimmung bei den Sensationsblättern. Behauptungen tauchten auf (und wurden dementiert), über Richard Chamberlain — erst in der schwulen Presse, aber dann auch in der Aprilausgabe des 'Star‘, der behauptete, daß er „in Hawaii entdeckt hat, daß Chamberlain sich mit seinem Liebhaber eine Wohnung einrichtet“. Der 'Star'- Herausgeber Richard Kaplan steht dem neuen Trend mit gemischten Gefühlen gegeüber. „Wenn wir eine Story angehen wollen, die absolut bezeugt werden kann, dann bringen wir sie“, so Kaplan, „das ist unsere Taktik. Wenn's eine gute Story ist, versuchen wir, sie zu bringen. Das outing von (irgendjemands) Tochter ist mir unangenehmer als Richard Chamberlain zu outen, der schließlich erwachsen genug ist, um auf sich selbst aufzupassen.“

Liz Smith glaubt, daß outing nicht wieder gutzumachende Schäden anrichtet, was Ruf und Karriere betrifft. Anders als bei den klassischen Fall-und-Wiederaufstiegs-Geschichten der Sensationsblätter — wie Drogenkonsum oder Ehebruch — gibt es für einen, der einmal als homsexuell abgestempelt wurde, keine Möglichkeit für ein Zurück oder für Abbitte. „John Travolta plante sein Comeback und jetzt tun sie ihm das an“, sagt Smith. „Er kann nicht zurück. Er könnte keinen einzigen Prozeß gewinnen. Wie kann er jetzt noch einen Spitzenjob kriegen?“

Natürlich sind die berühmtesten Stars auch die verletzbarsten. Und jetzt, wo Travolta seine Karriere mit einem unerwarteten 100-Millionen- Dollar-Kassenschlager (Guck mal, wer da spricht) wieder hat aufleben lassen, fragt man sich, ob sein Erfolg nicht durch die Enthüllungen des 'Enquirer‘ zunichte gemacht werden könnte. „Keine der Geschichten, die die Sensationspresse in den letzten 15 Jahren über John Travolta geschrieben hat, hat irgendeinen Einfluß auf seine Karriere gehabt“, sagt Travoltas Verleger Paul Bloch, der die Berichte dementierte. „Seit die letzte Story herauskam, hat er zwei Filmangebote abgelehnt, eines für eine Actionfilm, eines für eine Komödie. Beide kamen von großen Studios.“ Zur Zeit dreht Travolta eine neue Folge von Guck mal, wer da spricht.

Chamberlains Verlegerin Anette Wolf dementiert vehement, daß der von ihr betreute Schauspieler schwul sei und daß er jemals ein Interview dieses Inhalts gegeben habe. Sie ist bestürzt über das ständige Tohuwabohu und fühlt sich persönlich angegriffen und beleidigt ob dieser unerwünschten Aufmerksamkeit. „Chamberlain hat nie über sein Privatleben geredet, und auch jetzt ist ihm nicht danach. Er hat keinen Grund, auf falsche Behauptungen zu reagieren.“ Wolf ist sicher, daß die Story des 'Star‘ keine Auswirkungen haben wird und daß der Schauspieler sich schon bald für sein nächstes Pojekt entscheidet — wahrscheinlich eine weitere Miniserie, die auf einer Robert Ludlum-Novelle basiert, in der er nochmals Jason Bourne darstellt.

Jahrelang hat der schwule Novellenautor Armistead Maupin über seine Brüder, die sich nicht öffentlich bekannten, gelästert. „Doppelzüngigkeit ist das größte aller Verbrechen, wenn es um eine Epidemie geht“, sagte er in einem Interview mit dem 'Gaybook‘-Magazin, „weil es eine der wichtigsten Ursachen unseres Problems weiter verstärkt: nämlich die Idee, daß Homosexualität ein kleines schmutziges Geheimnis sei.“ Ein Artikel in der 'Los Angeles Times‘ erwähnt das Maupin- Interview, nennt aber die, um die es geht, nicht beim Namen. Die Zeitung betreibt keine gezielte Politik im Umgang mit dem outing von Schwulen, sagt der Verlagsleiter George Cotliar, aber „wenn sich etwas der allgemeinen Kenntnis entzieht, dann wird es nicht gebracht“.

Schocks ändern die Gesellschaft

Der Pionier des outing, Michelangelo Signorile, schreibt für das New Yorker Schwulenmagazin 'Outweek‘. Signorile vergleicht outing mit den Berichten von einst, über die außerehelich geborenen Kinder von Prominenten oder etwa über Mischehen von schwarzen und weißen Stars oder auch mit den neueren Berichten über die Drogen- und Alkoholprobleme der Stars. Seiner Meinung nach ist es „erst skandalös, und dann ändert sich die Gesellschaft“, wenn der erste Schock erst einmal abgeklungen ist. Signorile wuchs in Staten Island auf, wo er aus der privaten katholischen Highschool rausgeworfen wurde, weil es immer zu Schlägereien kam, wenn die anderen Kinder ihn „Schwuchtel“ nannten. Er studierte an der Universität in Syracuse Kommunikationswissenschaften und arbeitete für eine Broadway-Agentur sowie als freier Autor, bevor er sich in der radikalen Schwulenbewegung engagierte. Letztes Jahr brachte er 'Outweek‘ mit heraus, sein Forum für das outing von Schwulen, die sich lieber verstecken wollen. Er ist überzeugt davon, daß er ihnen damit keinen Schaden zufügt: „Die Publizisten übertreiben in bezug auf die Künstler mit dem, was sie sagen. Wir unterschätzen die Fähigkeit des Publikums, sich das vorzustellen. Man neigt dazu, zu glauben, daß ein heterosexueller Schauspieler nicht einen Homosexuellen spielen kann, ohne für immer abgeschrieben zu sein. Aber natürlich kann ein heterosexueller Schauspieler einen Schwulen spielen — so wie er in dem einen Film einen Businessmann darstellen kann und einen Grubenarbeiter im nächsten. Hollywood macht sich so viele Sorgen um das Publikum. Das Publikum wird wie eine Bande von Idioten behandelt, dabei ist es das nicht.“ Signorile insistiert darauf, daß er „strikte Prinzipien“ bei der Ergründung der Wahrheit habe. „Ich muß wenigstens eine Person kennen, die ein Erlebnis mit der besagten Person hatte oder jemanden, dessen bester Freund ein solches homosexuelles Erlebnis mit der Person hatte“ — und fügt hinzu, daß er gründlich nachforsche, bevor jemand sein outing auf den Seiten seines Magazins kriegt. „Wenn dir 30 Leute die gleiche Geschichte erzählen — wie der Sex war, wie der Höhepunkt so war — hat man einen guten Spürsinn dafür. Ich werfe nicht einfach mit Namen um mich.“

Die in Brooklyn ansässige Rechtsanwaltskanzlei Herman & Salen liest die potentiell verleumderischen Texte vor ihrer Veröffentlichung (obwohl die Forbes-Story überraschenderweise ohne rechtliche Klärung erschien). Signorile jedenfalls läßt sich von eventuellen juristischen Verfahren nicht beeindrucken: „Wenn es wahr ist, kannst du es auch drucken. Ich bezweifle, daß jemand , der homosexuell ist, dann klagen wird.“

Richard Roilard, Herausgeber des 'Advocate‘, des größten überregionalen Schwulenmagazins, meint, daß outing nicht nur unmenschlich, sondern auch potentiell nachteilig für junge, gerade berühmt werdende Stars ist. „Die Möglichkeiten für einen schwulen Schauspieler oder eine lesbische Schauspielerin, eine wirkliche Karriere zu machen, sind im Moment gering“, sagt er. „Und zwar, weil die Agenten und einige von der Studioleitung Angst haben, ihr Geld, ihre Zeit und ihre Mühe in jemanden zu stecken, der durch eine Veröffentlichung in ein oder zwei Jahren aus der Karriere ge-outet werden könnte. Hollywood ist keine Künstlergemeinschaft; das sind Businessleute, die Entscheidungen treffen. Sie können nicht nach ihrem Gefühl entscheiden, sie entscheiden mit der Brieftasche. Und du besetzt keine wichtige männliche heterosexuelle Filmrolle mit einem (,outed‘) Schwulen in einem großen Film oder in einer TV-Serie. Sie würden ein großes Risiko eingehen und diese Stadt ist nicht gerade bekannt für ihre Risikofreudigkeit.“ Auch das Argument, daß Schauspieler, die ge-outet wurden, eine Vorreiterrolle für eine veränderte Rezeption spielen könnten, leuchtet ihm nicht ein.

„Keiner hat daran gedacht, das Sodomiegesetz in irgendeinem südwestlichen Bundesstaat zu widerrufen, nur weil rauskam, daß Rock Hudson homosexuell war.“ Talentmanager und Rechtsanwalt Larry Thompson denkt, daß die Auswirkungen des outing von der jeweiligen Persönlichkleit des Betroffenen abhängen. „Wenn Tom Cruise oder Sean Connery — nicht daß sie schwul sind! — ge-outet würden, würde das sicher einen großen Einfluß auf ihre Karriere haben, da sie ein starkes Machoimage haben. Es wäre möglich, daß sich das Publikum verschaukelt fühlt. Genauso wie die Leute geschockt und verstört waren, als sie das von Rock Hudson erfuhren. Für andere Schauspieler, so wie Dustin Hoffman oder John Lithgow (angenommen, sie wären schwul), wäre das nicht so schlimm, denn sie haben Rollen gespielt, bei denen die Grenzen zwischen männlich und weiblich fließend waren.“

Könnte ein Star, der ge-outet wurde, nicht einfach die Sensationspresse wegen Verletzung der Privatsphäre oder wegen Verunglimpfung anzeigen? „'Outweek‘ befindet sich auf festem Boden, soweit es das Gesetz vorsieht“, sagt die Anwältin des Magazins, Liz Salen. „Aber“, gesteht sie, „nur weil das Gesetz es erlaubt, wird es dadurch nicht moralisch verträglicher.“ Ein heikler rechtlicher Aspekt bei einer hypothetischen outing-Gesetzgebung betrifft den Nachweis der Verleumdung des Schauspielers. Mit anderen Worten: Ist es eine Verleumdung — ob zu recht oder zu unrecht —, als homosexuell bezeichnet zu werden? Was auch nicht gerichtlich bewiesen ist: Was macht einen Schwulen aus? Reicht eine sexuelle Begegnung oder muß ein langfristiges homosexuelles Verhalten vorliegen?

Wie definiert man Homosexualität juristisch?

Paul Dinato, der Vorsitzende der National Gay Rights Advoccates, ist beunruhigt darüber, daß eine outing- Klage gegebenfalls die Gerichte zu der Entscheidung bringen könnte, zu definieren, was schwul ist und was nicht. „Das ist eine recht unheimliche Arena, auf die man sich da begibt. Die Justiz könnte sie dazu benutzen, festzulegen, wer wir sind.“

Dieses ganze outing-Spektakel, sagt Liz Smith, hat „die übelste Publicity ausgelöst, die Homosexuelle jemals in Amerika hatten. Dieses ,Namenaufrufen‘ hat die Schwulenbewegung zurückgeworfen. Viele Schwule möchten nicht über ihre Sexualität definiert werden... Da ist viel Ungerechtigkeit gegen Homosexuelle“, faßt sie zusammen, „aber zweimal falsch ist nicht einmal richtig“.

Gekürzt aus: 'US Magazine‘, August 1990

Aus dem Amerikanischen von

Felicitas Hillmann