Richten Frauen anders?

■ Im Kanton Zürich müssen Richterinnen an Vergewaltigungsprozessen beteiligt werden KOMMENTARE

Kein Vergewaltigungsprozeß ohne eine Richterin — auch wenn der Beschluß aus der Schweiz nur für die elf Bezirksgerichte des Kanton Zürich gilt, so ist er doch ein erfreuliches Signal. Wie demütigend es für vergewaltigte Frauen im Gerichtssaal zugeht, haben Juristinnen und Notrufgruppen oft genug beschrieben — hier wie in der Schweiz. Die Züricher ParlamentarierInnen zogen daraus die Konsequnez: Sie hoffen nun auf das besondere Einfühlungsvermögen, das Frauen Frauen entgegenbringen könnten.

Aber ob das ausreicht? Rechtsanwältinnen haben hierzulande die ernüchternde Erfahrung gemacht, daß Richterinnen bei Vergewaltigungen nicht anders urteilen als ihre männlichen Kollegen. Verwunderlich ist das nicht. Nur 15 Prozent aller Richter sind Frauen. Die wenigen, die es schaffen, verhalten sich fast zwangsläufig überangepaßt. Ausnahmefrauen — nach einer Studie des Nürnberger Notrufs waren bei 90 Prozent aller Vergewaltigungsprozesse Männer die Richter — können strukturell einfach nichts ändern. Aber wenn ein Frauenanteil gesetzlich institutionalisiert würde und Richterinnen nicht mehr unter dem Druck stünden, sich „wie ein Mann verhalten zu müssen“, könnten sie ermutigt sein, mehr Sensibilität, mehr Aufmerksamkeit für die vergewaltigte Frau zu zeigen. Machbar wäre solch eine Quote ohne weiteres. Wie in der Schweiz müßte das Gerichtsverfassungsgesetz geändert werden, in der Bundesrepublik ist dies allerdings nicht Sache der Länder, sondern des Bundes.

Aber die eigentliche Crux liegt auf einer anderen Ebene. Die Gesetze und die herrschende Rechtsprechung nehmen bei Vergewaltigungen immer noch in umfassender Weise die Perspektive des Täters ein. So gilt eine Vergewaltigung nur dann als Vergewaltigung, wenn Gewalt angewendet wird. Und der Begriff ist auslegungsfähig. Es genügt nicht, wenn Frauen nein sagen. Das Opfer muß nachweisen, ob und wie es sich gewehrt hat. Den Auslöser für die Schweizer Entscheidung bildete so auch ein kürzlich ergangenes Urteil des dortigen Bundesgerichts, das die Höhe der Strafe von dem Widerstand der Frau abhängig machte. In dem konkreten Fall war die Frau von dem Täter mit einem Messer bedroht worden. Der Mann aber hatte das Messer zwischenzeitig weggesteckt. Deshalb erkannten die Richter auf „einfache Notzucht“. Die Frau sei nicht die ganze Zeit über „widerstandsunfähig“ gewesen.

Ob eine Frau hier anders geurteilt hätte? Vielleicht ja, vielleicht nein. Besser als sich auf den Goodwill einer einzelnen Frau zu verlassen ist es, die Gesetze endlich zugunsten der Gesamtheit der Frauen zu verändern. Helga Lukoschat