Schüler protestieren — die Pariser Regierung zittert

Paris (taz) — Wenn sich Frankreichs Jugend bewegt, wackeln die Regierungen. Eine Weisheit des Mai 68, die sich regelmäßig wiederholt: 1984 stürzte Premier Mauroy über seine Schulreform, 1986 Chiracs Minister über die Studentenrevolte. Dank eines rigide durchzentralisierten Erziehungssystems kann der Aufstand eines Gymnasiums leicht zur Staatsangelegenheit werden.

Nachdem am Montag wieder hunderttausend Schüler im ganzen Land demonstriert hatten, versprach Bildungsminister Jospin in der Nationalversammlung sogleich die Einrichtung von Schülerräten sowie die Schaffung von 1.100 Stellen für Pausenaufsicht und Unterhalt der Schulgebäude. Die Gymnasien der Pariser Vorstädte, in denen vor drei Wochen die Schülerbewegung anläßlich der Vergewaltigung einer Schülerin ausbrach, sollen dabei bevorzugt behandelt werden.

Der Minister erinnerte daran, daß in diesem Jahr das Unterrichtsbudget größer sei als das der Verteidigung. Den Schülern reicht das nicht. „Jospin — mehr Kohle für die Erziehung“, skandierten sie am Montag in Paris und gestern wieder in Reims und Belfort. Hauptkritikpunkt: „La Galère“ — die stupide Ackerei in den Gymnasien, ohne Aussicht auf gute Jobs.

Eine Bewegung ohne klares Objekt der Begierde, ohne konkrete politische Forderungen — diffus und unberechenbar wie die Banlieue, in der sie entstanden ist. Die Schülerkoordination FIDEL ruft für nächste Woche wieder zum Montagsmarsch auf. smo