Haussmann pocht auf seine Klima-Inkompetenz

Die Bundesregierung will heute über ein Maßnahmenbündel zur CO2-Reduzierung entscheiden/ Im Vorfeld heftige Auseinandersetzungen zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium über Kompetenzverteilung in der Energiepolitik  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) — Nimmt die Bundesregierung ihre selbstgesteckten Ziele zur Reduktion des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) ernst oder setzen sich die „Weiter so“-Strategen noch einmal durch? Um die Beantwortung dieser Frage geht es, wenn das Bundeskabinett heute nach heftigem internen Ressortgerangel über die Grundsätze der künftigen Energiepolitik entscheidet. In der interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA Co2-Reduktion) zur Vorbereitung des Kabinettsbeschlusses erwies sich vor allem Helmut Haussmanns (FDP) Wirtschaftsministerium als Bremsklotz gegen jede grundsätzliche Kurskorrektur. Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) ist letztlich auf das Wohlwollen aus dem Hause Haussmann angewiesen. Anders als früher in der DDR bestimmt in Bonn der Wirtschafts- und nicht der Umweltminister die Richtlinien der Energiepolitik.

Die aktuelle Kabinettsvorlage soll eine Absichtserklärung vom Juni dieses Jahres konkretisieren, in der sich die Bundesregierung grundsätzlich auf eine Reduzierung des energiebedingten CO2-Ausstoßes um 25 Prozent bis zum Jahr 2005 festgelegt hatte. Der Beschluß war seinerzeit nicht nur von den Umweltverbänden als zu lasch kritisiert worden, sondern auch von der Bundestags-Enquetekommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“, die mindestens 30 Prozent verlangt. Auch Umweltminister Töpfer hatte für ein Reduktionsziel von 30 Prozent plädiert und will sich heute erneut dafür stark machen. Tatsächlich zeigen sich die Realisierungschancen für eine höhere Marge nach dem Beitritt der DDR eher verbessert: Auf dem Gebiet des früheren Weltmeisters der Energieverschwendung können sehr hohe Emissionsminderungen schon allein durch Annäherung an das westdeutsche Effizienzniveau erreicht werden.

Innerhalb der IMA CO2-Reduktion hat sich in den vergangenen Wochen insbesondere der Arbeitskreis „Energieversorgung“ unter dem Vorsitz des Wirtschaftsministeriums als genereller Bedenkenträger gegen „tiefgreifende Änderungen der energie- und wirtschaftspolitischen Rahmendaten“ profiliert. Zum einen sei die Wirksamkeit bestimmter ökonomischer Instrumente — also beispielsweise die Erhöhung der Energiepreise — nicht abschätzbar und deshalb auch keine Prioritätensetzung bei den vorgeschlagenen Maßnahmen möglich. Vor allem jedoch könne niemand die „gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen“ einer „zu starken Beschleunigung der Anpassungsprozesse“ überschauen, heißt es im Wirtschaftsministerium. Mit anderen Worten: Es drohen Verlust von Arbeitsplätzen, Einbrüche bei der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, Standortverlagerungen ins Ausland und letztlich Konjunktureinbrüche und Inflation. Auf der Grundlage dieses (durch nichts belegten) Horrorszenarios möchten die Haussmann-Unterlinge am liebsten gar nichts ändern.

Nur mit äußerster Anstrengung konnten sie zu einer Überprüfung und gegebenenfalls Novellierung des umstrittenen Energiewirtschaftsgesetzes bewegt werden, das ein zentrales und damit ineffizientes Energiesystem zementiert. Das Wirtschaftsministerium sperrt sich auch gegen Töpfers Versuch, die Rahmenbedingungen zum Bau von Kraft-Wärme-gekoppelten Energieanlagen zu verbessern, die erheblich höhere Wirkungsgrade erzielen. Einer CO2-Abgabe wollen die Bremser nur zustimmen, wenn davon vor allem die Betreiber von Atomkraftwerken profitieren, das heißt, eine solche Abgabe nur die Energiepreise bei fossilen Energieträgern belastet. Tatsächlich verbirgt sich hinter dieser Diskussion auch ein Streit über die künftige Rolle der Atomenergie: Während Töpfer sie gerade noch für „verantwortbar“ hält, möchte Haussmann am liebsten AKWs zubauen.

Strikt wehrt sich der FDP-Minister auch gegen finanzielle Anreize, die endlich die riesigen Einsparkapazitäten mobilisieren könnten, die in Millionen schlecht wärmegedämmter Häuser brachliegen. Auch der alte Streit um sogenannte „Markteinführungshilfen“ für regenerative Energien droht zugunsten Haussmanns auszugehen, der dahinter stets nur die Installation neuer „Dauersubventionen“ wittert.

Im Umweltministerium hat man längst erkannt, daß alle CO2-Reduktionsankündigungen als frommer Wunsch enden werden, wenn die Gewichte so verteilt bleiben, wie sie es derzeit sind. Tatsächlich gehört im Zeitalter der drohenden Klimakatatsrophe die Energiepolitik ins Umwelt- und nicht ins Wirtschaftsressort. Denn während Klaus Töpfer sich in Genf als Welt-Klima-Zampano aufführt, muß er daheim Aushilfskräfte beschäftigen, die für seine überlasteten Beamten den Bericht der Klima-Enquetekommission des Bundestages lesen.