Wir haben es uns noch nie einfach gemacht

■ Zur Zukunft von Partei und Basis / PDS-Parteivorsitzender und Wahlkämpfer Gysi im Gespräch

taz: Was treibt Sie eigentlich in die Kleinstadt Bremen?

Gregor Gysi: Bremen ist immerhin ein ganzes Bundesland. Wir hatten uns vorgenommen, daß ich in jedem Bundesland wenigstens einmal eine Wahlkampfveranstaltung habe. Außerdem hat Bremen doch auch linke Traditionen, an die man versuchen kann anzuknüpfen.

Wie wird denn der Wahlkampf hier finanziert?

Der wird natürlich von uns finanziert, wobei wir ja durch den Einigungsvertrag Rahmenbedingungen gesetzt bekommen haben.

Was kostet denn beispielsweise ihr Auftritt hier in Bremen?

Das kann ich ihnen nicht sagen. Ich weiß nur, man hat die Gesamtkosten des Wahlkampfes auf 21,5 Millionen geschätzt aber da wurde wohl noch einiges vergessen. Insgesamt dürfen wir nicht mehr als 35 Millionen ausgeben.

Wie wird die PDS in Bremen von der Zentrale unterstützt?

Wir haben jetzt mit der Untersuchungskommission abgesprochen, daß unsere Landesverbände im Osten einen Teil ihrer Gelder überweisen dürfen an die Landesverbände im Westen. Ich hoffe, daß sie dann über die finanziellen Mittel verfügen, um erst mal die Schulden bezahlen zu können.

Hier in Bremen heißt es ja immer, daß die PDS unabhängig ist, finanziell.

Das war sie auch, sie war ja nicht unsere Partei. Aber jetzt sind es unsere Landesverbände und damit müssen wir sie natürlich in unser Finanzierungsprogramm aufnehmen.

Finanzielle Unabhängigkeit kann es also nicht mehr geben?

Nicht mehr in dieser Form. Ab Januar 1991 muß jeder Landesverband sich aus den Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Dann gibt es zentrale Unterstützung nur noch bei Wahlveranstaltungen.

Sie wollen am Samstag ihre ganzen Parteifinanzen offenlegen. Möglicherweise werden Ihnen dann auch noch die letzten Wähler weglaufen. Wie kann man in so einer Situation Wahlkampf treiben und politische Alternativen zum BRD-Staat verkaufen?

Ja, das ist nicht ganz einfach. Aber wir haben es uns ja noch nie einfach gemacht. So dramatisch ist es auch nicht mit den Finanzen. Neben einem Sozialfond und ohne das Geld der Landesverbände und Kreisvorstände hatten wir so etwa 200 Millionen beim Parteivorstand. Und die Ausgaben sind so hoch, daß wir Ende des Jahres nur noch über 100 Millionen verfügen werden.

Wie fühlen Sie sich als Wahlkämpfer?

Es ist natürlich eine schwierige Situation. Nicht so sehr wegen der kommenden Veröffentlichungen, das Problem ist, daß natürlich ein gewisses Mißtrauen angewachsen ist.

Und wie fühlt man sich persönlich?

Nicht so besonders wohl, weil vieles zugleich zu machen ist. Ich müßte jetzt eigentlich meine ganze Zeit dafür verwenden, diese Parteivorstandssitzung vorzubereiten. Ich hoffe aber, daß sie so verlaufen wird, daß wir danach sogar noch intensiver Wahlkampf machen werden.

Beim letzten Wahlkampf für die neuen Landesparlamente hatten Sie ja noch eine beachtliche Wählerschaft in der DDR hatten auf die Sie bauen konnten. In der BRD ist es ganz anders. Wie predigt man vom Himmel, wenn man vor 100 Teufeln sitzt?

Na ja, wir erreichen hier natürlich prozentual nicht so viele Menschen wie in der früheren DDR, das ist klar. Aber erstaunlicherweise ist das Interesse doch ziemlich groß. Es ist uns zum Beispiel bescheinigt worden, seitdem es die PDS gibt, gibt es wieder eine Sozialismusdiskussion.

Was für Erfahrungen haben Sie mit Linken hier gemacht?

Unterschiedlich. Es gibt sicherlich welche, die enttäuscht sind durch den Zusammenbruch des Sozialismus. Aber die meisten empfinden das auch ein bißchen als Befreiung.

Zunächst sind ja erst mal eine Menge Vorstellungen zusammengebrochen.

Ja sicher, bei denen, die davon ausgingen, daß der sogenannte realexistierende Sozialismus zwar ein bißchen verbesserungsbedürftig sei, aber im Prinzip schon das richtige Modell wäre. Bei denen, die eine andere Auffassungen hatten, war das ja eher eine Bestätigung.

Werden Sie auch Parteivorsitzender bleiben, wenn Sie nicht in den Bundestag kommen?

Also erstens halte ich das nicht für möglich. Das würde ja bedeuten, daß wir über die Hälfte der Stimmen innerhalb kürzester Zeit verlieren, in der ehemaligen DDR. Ob ich weiter Parteivorsitzender bleibe, das hängt von meiner Entscheidung und von dem Willen der Mitglieder ab.

Fragen: Birgit Ziegenhagen