Zwiespältige Gefühle

■ Ein Film von Regine Sylvester über die veränderten Lebensgefühle von DDR-Frauen im 3. Programm/ Gängige Klischees werden aufgebrochen

Vier Berliner Frauen und ihre Töchter »aus dem Land mit den drei Buchstaben«, Jutta Wachowjak (Schauspielerin), Jutta Voigt (Journalistin), Sybille Bergemann (Fotografin), Daniela Dahn (Schriftstellerin), erzählen: Ihre Gefühle während und nach der Existenz der DDR, in der sie jahrelang gelebt und gearbeitet haben. Was hat sich verändert? Regine Sylvester versuchte diesen Fragen in ihrem Film fifty fifty (Dienstag, 22.45 Uhr; N3)nachzugehen. Die Ostberliner Filmemacherin ließ — darin unterschied sich ihr Streifen von diversen westlichen Versuchen — die Frauen berichten und verzichtete auf provozierende Fragemuster.

Die Frauen halten sich weder für besonders mutig, noch gehörten sie zu denen, die still in ihrer Nische saßen und warteten. »Man kann die Bevölkerung nicht in Mutige und Angepaßte einteilen«, sagte Daniela Dahn, Autorin des Buches Prenzlauer Bergtour. Die Mischung daraus läßt sich in jeder einzelnen wiederfinden. Jutta Wachowjak empfand das Leben als einen »Belastungstest« auf einer Spielwiese, auf die man rausgelassen wurde und von der man zurückgepfiffen werden konnte. Und sie gibt zu: »Man war auch beugsam und geschmeidig.« Sie trifft damit sicher das Lebensgefühl vieler Menschen, denn man lernte diesen Widerspruch auszuhalten.

Nichts ist eindeutig. Nichts ist nur positiv, nur negativ gewesen. Nichts ist nur besser oder nur schlechter geworden. Eben »fifty fifty«, wie die Journalistin Jutta Voigt ihr derzeitiges Gefühl beschreibt. Ihre »Nische« war die Wochenzeitung 'Sonntag‘. Sie habe sich rausgehalten aus dem, was politisch genannt wurde. Sie habe die Wirklichkeit in ihren Texten zeigen wollen. Früher war die Journalistin stolz darauf, nie eine Zeile für Geld geschrieben zu haben. Heute fragt sie sich nach ihrem Marktwert. »Man muß jetzt gerade gehen, darf keinen Zweifel an sich aufkommen lassen.« Der Preis bestimmt den Wert.

Geld — das hat die Lebenssituation aller vier Frauen verändert. Gängelung und Reglementierung wurde früher mit der Befreiung von jetzt auftauchenden Alltagssorgen bezahlt. Für die Frauen in diesen Berufen ein zweischneidiges Schwert. Ihre beruflichen Möglichkeiten und Freiheiten sind größer geworden, aber die Last der alltäglichen Nebensächlichkeiten auch.

Die Erinnerungen an die DDR bleiben zwiespältig. Hier die Einschränkungen und Verwaltung von Mangel, dort die Freunde, die Geborgenheit. Eine Aufgabe von Literatur sei gerade deshalb, so die Schriftstellerin Daniela Dahn, die Erinnerung an diese Erfahrungen von den Klischees freizuhalten. Jammern will keine von ihnen. Sie sind neugierig, wollen arbeiten, spüren jedoch die Verluste. Aber, sagt Sybille Bergemann, »so wie es war, konnte es nicht bleiben«. anbau