»Wir machen keine Ampelkoalition mit der Alternativen Liste«

■ Carola von Braun, neue Vorsitzende der FDP, setzt auf »sozialliberales« Image/ Sie will ihre Partei im Bildungs- und Kulturbereich profilieren INTERVIEW

Seit ein paar Wochen hat die Berliner FDP eine neue Vorsitzende: Carola von Braun, bis vor kurzem Frauenbeauftragte des Senats. Sie konnte sich auf dem letzten Parteitag mittels ihrer Ost-Parteikollegen gegen den Hardliner vom rechten Flügel, Hermann Oxfort, durchsetzen. Carola von Braun setzt nun auf das verschütt gegangene »sozialliberale Image« der Pünktchenpartei und sieht sich schon im nächsten Parlament sitzen — am liebsten an der Seite der SPD?

taz: Wie wollen Sie das Kunststück fertigbringen, Ihren Wählern das Gefühl von einer einigen Partei zu vermitteln?

Carola von Braun: Das Problem ist, daß der eher gesellschaftspolitisch orientierte Teil unseres Profils in den letzten anderthalb Jahren außerparlamentarischer Arbeit in der Öffentlichkeit zu wenig sichtbar war. Ich bin mit diesem Profil als Kandidatin für den Vorsitz angetreten und habe gleich betont, daß die alten Themen der FDP — also Bildungs- und Kulturpolitik und von meinem Werdegang her auch Gleichstellungspolitik — wieder mehr Gewicht bekommen werden.

Zwei Drittel aller Delegierten auf dem letzten Parteitag Anfang Oktober kamen aus Ost-Berlin. Die FDP ist damit eine »geostete« Partei. Hat Ihnen das zum Sieg verholfen?

Ich hätte zum damaligen Zeitpunkt auch schon bei den westlichen Mitgliedern die Mehrheit gehabt. Sicher gab es bei uns immer eine Auseinandersetzung zwischen dem wirtschafts- und sozialpolitischen Flügel. Sie war und ist nötig.

Aber Hermann Oxfort hat die FDP rechts an die CDU getrimmt und da Seilschaften aufgebaut...

Ich habe zwei Drittel aller Stimmen bekommen. Wo waren die Seilschaften?

Sie sprechen von einem neuen alten Profil Ihrer Partei. Was macht die FDP für Wähler in Ost- und West- Berlin denn interessant?

Eines ist sicher: Die Arbeitsmarktpolitik und die Wohnungsnot werden die dominanten Politikfelder der nächsten Jahre für diese Stadt sein. Unsere Sorge ist, daß dabei mindestens ebenso wichtige Themen wie die Investitionen im Bildungs- und Kulturbereich zu kurz kommen. Die CDU hat in ihrem gesamten Wahlprogramm nicht eine Zeile zur Kulturpolitik stehen. Auch bei der SPD ist nicht viel davon zu spüren. Und bei dem, was im Augenblick herbeigeschrieben wird, also große Koalition, ist das eine ganz große Gefahr.

Sie wollen also den — potentiellen — kleinen Koalitionspartner FDP in Richtung Bildungs- und Kulturpolitik profilieren?

Durchaus. Stichwort dezentrale Kulturarbeit: Da muß sehr ernsthaft nachgeguckt werden, was das wirklich gebracht hat. Es gibt einige Bezirke, die Erstaunliches zu Wege gebracht haben — zum Beispiel Neukölln und Schöneberg, da sitzen auch Frauen auf den Posten — aber in anderen Bezirken ist es einfach versickert. Ich würde auf diesem Gebiet der bezirklichen Kulturarbeit die Rückkehr zum Antragsprinzip bevorzugen. Das Gießkannenprinzip, also per se für jeden Bezirk einen bestimmten Betrag, hat sich nicht bewährt.

Stichwort Studenten: Ich halte es für verheerend, daß der Senat einen Numerus clausus einführt für die Westberliner Universitäten, statt alle Kapazitäten in Ost-Berlin zu nutzen, um diese Orte auch attraktiv zu machen. Das ist keine Antwort auf die Öffnung der Mauer. Natürlich können wir uns in einer Fünf-Millionen-Stadt zwei Universitäten und Hochschulen der Künste erlauben.

Man wird von Ihnen auch erwarten, daß Sie sich in der Gleichstellungspolitik stark machen. Auf welchen Gebieten?

Ich fordere schon seit langem ein Antidiskriminierungsgesetz. Allerdings sieht mein Entwurf anders aus als der jetzt vom Senat vorgelegte. Schon die Formulierung: »Bevorzugung bei gleicher Qualifikation« ist verfassungsrechtlich umstritten. Aber die Auffassung, daß die formale Qualifikation ausreichen könnte, ist noch problematischer. Strategisch im Sinne der Durchsetzung der Gleichstellung ist das ein Bumerang. Da entsteht fälschlicherweise doch der Eindruck, daß wir pausenlos weniger qualifizierte Frauen in Positionen hieven wollen. Aber natürlich wäre der vorliegende Entwurf ein Schritt in die richtige Richtung.

Was die anderen Fragen betrifft: Es ist unter den liberalen Frauen unbestritten, daß der Vereinigungsprozeß im wesentlichen zu Lasten der Frauen geht. Und wir haben in unserer Partei nach langen Kämpfen durchgesetzt, daß es einen Rechtsanspruch jedes Kindes auf einen Kindergartenplatz geben muß. Für Berlin insofern wichtig, weil wir die Kindergärten erhalten wollen, auch die Betriebskindergärten.

Wie geht denn die FDP mit ihrem Parteivermögen im Osten um?

Wir kommen an keine müde Mark heran. Im Übrigen ist das Vermögen der LDPD und NDPD erheblich geringer als das der anderen Blockparteien gewesen. In der ganzen DDR waren es 17 Immobilien. Alles ist fest in den Händen der Treuhand.

Die Koalitionsfrage: Sie haben der SPD ja letzthin ein eindeutiges Angebot gemacht...

Das war nicht so gemeint. Ich habe der AL aus tiefer Überzeugung bescheinigt, sie solle doch ihre Lieblingsrolle als Oppositionspartei wieder übernehmen und der CDU, daß sie in ihrer Oppositionsrolle nicht die Chance zur Erneuerung genutzt hat. Daraus wurde mir rechnerisch ausgelegt, daß für die FDP nur noch die SPD als Partner bleibt. Aber wir legen uns doch jetzt nicht fest. Unser Hauptziel ist die Rückkehr ins Abgeordnetenhaus. Und — die FDP ist schon sehr weit gegangen, weil sie eindeutig vor der Wahl gesagt hat: Keine Ampelkoalition mit der AL.

Wie ist Ihr Tip für die Wahl am 2. Dezember?

7,5 Prozent (West) für uns und 5,1 (Ost). Die PDS ist eine unbekannte Größe: Berlinweit vielleicht bei 7 Prozent. Die CDU scheint im Aufwind. Sie ist gleichauf mit der SPD, sagen wir beide zwischen 37 und 40 Prozent. Die Reps: unter 2 Prozent. Die AL und die Bürgerrechtsbewegungen: zwischen 6 und 8 Prozent. Interview: Nana Brink/Kordula Doerfler