Hooligans formieren (Trauer)marsch

■ Im Anschluß an das Oberligaspiel am Samstag wollen Hooligans des Erschossenen gedenken/ Polizei erwirkte Verlegung des Spiels

Ost-Berlin. Die Ostberliner »Hooligans« wollen nach Beendigung des kommenden Oberligaspieles FC Berlin gegen den Halleschen FC Chemie einen Trauermarsch zu Ehren des erschossenen Fußballfans veranstalten. In einem der taz vorliegende Papier rufen sie »alle Fußballfans auf, an unserem gewaltlosen Schweigemarsch für den von der Leipziger Polizei erschossenen Mike Polley teilzunehmen«. Alle Fans, die am Samstag nicht in Berlin seien, werden darin aufgefordert, in ihren Stadien vor Beginn der jeweiligen Spiele eine Schweigeminute einzulegen. »Es hätte jeden von euch treffen können!« endet der Aufruf.

Die Demonstration, die ordnungsgemäß bei der Polizei angemeldet sein wird, soll vom Friedrich- Ludwig-Jahn-Sportpark im Bezirk Prenzlauer Berg über die Eberswalder Straße, Prenzlauer Allee, Karl- Liebknecht-Straße und Unter den Linden zum Brandenburger Tor führen. Dort soll sich die Demonstration ohne Kundgebung in aller Stille auflösen. Die Veranstalter rechnen mit über 500 Anhängern und wollen mit einem eigenen Ordnungsdienst dafür sorgen, daß es bei dem ungewöhnlichen Marsch zu keinen Zwischenfällen kommt.

Ursprünglich war die Austragung des Spieles FCB—HFC im Sportforum in der Hohenschönhausener Steffenstraße — eigentliches Heimstadion des Berliner Klubs — vorgesehen. Da jedoch nach Meinung der Polizei die Ein- und Ausgänge der dortigen Anlage praktisch nicht zu kontrollieren seien, entschloß sich der Verein auf Drängen der Berliner Polizeiverantwortlichen, nach Prenzlauer Berg auszuweichen. Dort hatte der FCB bis zum Ende der vorigen Saison sein Domizil. In einem Gespräch mit der taz wandten sich die Hooligans empört gegen die »tendenziöse und verzerrende Berichterstattung bestimmter Medien« über die Ereignisse in Leipzig. So seien Interviews, die unmittelbar nach der Schießerei gegeben wurden, sinnentstellend verändert worden. Besonders aufgebracht sind sie über den Reporter eines Boulevardblatts, der nicht nur ein Interview völlig entstellt hätte, sondern auch einen Film, den ihm die Hools überreicht hätten, bisher weder veröffentlicht noch zurückgegeben habe. Auf dem Film existieren nach Aussage der Hooligans Bilder, die beweisen würden, daß die Leipziger Polizei, ohne direkt in Bedrängnis geraten zu sein, von der Schußwaffe Gebrauch machte.

Die Hooligans äußerten weiter den Verdacht, daß es bei der Schießerei am vergangenen Wochenende in Leipzig-Leutzsch nicht nur einen Toten gegeben habe. »Der Erschossene, den ich gesehen habe«, so einer der Augenzeugen, »ist nicht identisch mit dem, dessen Bild in den Zeitungen zu sehen war.« Auch von dieser Person soll es nach Angaben der Hooligans Fotos geben. Olaf Kampmann