Einsame Don Quijotes in spanischen Provinzen

Den vier bewaffneten nationalen Befreiungsbewegungen in Spanien fehlt die Unterstützung der Massen/ Selbst die ETA stößt auf Attentatsmüdigkeit der Basken/ Träume von anderer Gesellschaftsordnung werden nicht mehr geteilt  ■ Aus Madrid Antje Bauer

„Ein selbstgefertigter Sprengsatz explodierte gestern morgen gegenüber dem französischen Tourismusbüro in Barcelona und richtete dort Sachschäden an der Fassade des Gebäudes an. Die Polizei hält Terra Lliure für die Urheberin dieser Aktion, da sie gewöhnlich diese Art Sprengstoff verwendet.“ — „Das angebliche Mitglied der terroristischen Organisation ETA, Mikel Castillo Furtado, starb gestern in Pamplona bei einem Schußwechsel zwischen einem ETA- Kommando und Beamten der Oberen Polizeidirektion von Pamplona.“ — „Drei Mitglieder der Grapo legten gestern eine Bombe in den Diensträumen der Provinzdirektion für Verkehr in Gijon, bei deren Explosion die Räume völlig zerstört wurden, jedoch kein Personenschaden entstand.“ — „Die ,Guerillaarmee des Freien Galizischen Volkes‘ (EGPGC), eine terroristische Gruppe, die die Behörden für aufgelöst gehalten hatten, begann gestern früh eine Offensive gegen die wirtschaftlichen Interessen von angeblichen Drogenhändlern, bei der drei Personen ums Leben kamen und 49 verletzt wurden.“

Vier Zeitungsmeldungen aus der Zeit zwischen 8. September und 12. Oktober diesen Jahres. Das Fernsehen zeigt Bilder von verwüsteten Gebäuden und manchmal einen abgedeckten toten Menschen. Dann wird zu anderem übergegangen: Normalität in einem Land, in dem Anschläge fast an der Tagesordnung sind.

Drei der bewaffneten Gruppen, die galizische EGPGC, die katalanische Terra Lliure und die baskische ETA (Euskadi ta Askatasuna - deutsch: Baskenland und Freiheit) sind nationalistisch ausgerichtet und wollen mit ihren Anschlägen die Unabhängigkeit ihrer Region vom spanischen Staat erreichen. Nur die Grapo kämpft gegen den kapitalistischen Staat im allgemeinen. Knapp dreißig ihrer Gefangenen führen seit nunmehr einem Jahr einen Hungerstreik, der bereits ein Opfer gefordert hat. Daß die übrigen bislang überleben, liegt an der Zwangsernährung.

Sowohl die EGPG als auch Terra Lliure sind bereits mehrfach totgesagt worden und haben daraufhin durch Anschläge auf ihr Fortbestehen aufmerksam gemacht. Beide Gruppen können jedoch aufgrund ihres linksradikalen Duktus' in ihrem konservativen Umfeld nur mit wenig Unterstützung rechnen. Der Nationalismus ist in Galizien traditionell nur schwach verankert — und der galizische Kleinbauer, der über Generationen Fehden um eine Handbreit Boden ausficht, haßt alles, was nur entfernt nach Verstaatlichung riecht. Auch die reichen, weltoffenen Katalanen halten es lieber mit ihrem konservativen Landesherrn Jordi Pujol, der schon zur Sicherung des eigenen Besitztums die Festung Katalonien gegen ungebührliche Einmischungen des Zentralstaats verteidigt. Ein gepflegter, arroganter Nationalismus ist in Katalonien Ehrensache für die Bourgeoisie. Für die versprengten Radikalen, die mit ihren Anschlägen nicht mehr erreichen, als die Touristen zu verscheuchen, ist da wenig Platz.

Selbst der ältesten und traditionsreichsten bewaffneten Gruppe, der baskischen ETA, geht es nicht gut. Sie ist die einzige, die über namhafte Unterstützung in ihrer Region verfügt. Ursprünglich nationalistisch und konservativ — das Baskenland ist ebenso wie Galizien traditionell streng katholisch und dem Boden verhaftet —, hat sich in der Organisation erst mit der Zeit ein marxistischer Flügel entwickelt. Anders als bei den übrigen Gruppen ist der legale politische Arm der ETA, die Linkskoalition Herri Batasuna, sowohl im baskischen Parlament als auch in Madrid in den Cortes vertreten.

Doch die ETA ist im Begriff, ihr politisches Kapital zu verspielen. Hatte im Herbst 1986 bereits der Mord an der ehemaligen Genossin „Yoyes“, die sich vom bewaffneten Kampf losgesagt hatte, zu heftigen Zweifeln in den eigenen Reihen geführt, so wurden diese durch eine Reihe von Anschlägen, denen Kinder und völlig Unbeteiligte zum Opfer fielen, noch gestärkt. Hinzu kommt eine allgemeine Attentatsmüdigkeit im Baskenland, die sich zunehmend in öffentlichen Protesten gegen die Aktionen der Gruppe äußert. Zur verstärkten Polizeizusammenarbeit zwischen Spanien und Frankreich, die in letzter Zeit zu zahlreichen Festnahmen von ETA- Mitgliedern geführt hat, kommt eine Anti-ETA-Front der Parteien im baskischen Parlament hinzu. Die Rechnung geht bislang auf: Bei den Regionalwahlen am vorletzten Wochenende mußte Herri Batasuna erstmalig Stimmenverluste hinnehmen, erhielt aber immer noch 18,3 Prozent der Stimmen.

Gemein ist den glücklosen Guerrilleros in Spanien eins: Aus der Übergangszeit nach dem Frankismus haben sie nicht nur stalinistische Parolen, sondern mit ihnen auch Modelle von sozialistischen Gesellschaften hinübergerettet, deren Scheitern im letzten Jahr in Osteuropa augenscheinlich wurde und die auch in Spanien immer weniger überzeugen. So führen die Guerilleros allein einen aussichtslosen und blutigen Kampf. Die Spanier schauen sich das Foto der neuesten Toten an und blättern auf die nächste Seite.