Dollar-Demokratie besiegt Wählerunzufriedenheit

Bei den Kongreß- und Gouverneurswahlen in den USA verbessern die Demokraten ihre Chancen für die nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 1992/ Herausforderer hatten in den von Lobbygruppen finanzierten Wahlkampagnen kaum eine Chance  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Es sollte eine Wahlnacht der langen Messer werden, doch am Ende ließen die amerikanischen WählerInnen den Dolch im Gürtel. Trotz großer Unzufriedenheit mit dem politischen Prozeß bestätigten die Bürger so ziemlich alle ihre lokalen Amtsinhaber. Von den neu zu wählenden 34 Mitgliedern des Senats mußte allein der republikanische Senator für Minnesota, Rudy Boschwitz, gegen seinen demokratischen Herausforderer dran glauben. Und von den 435 Sitzen im Repräsentantenhaus mußten die Republikaner nur weitere sieben an die dort bereits deutliche demokratische Mehrheit abtreten. Allein bei den Gouverneurswahlen in 36 der 50 US-Bundesstaaten gab es zahlreiche Amtswechsel, Ablösungen und Überraschungen. Die Demokraten konnten den Republikanern wichtige Staaten wie Florida und Texas abnehmen, während ihre Außenseiterkandidatin im größten Staat Kalifornien nur knapp gegen ihren republikanischen Gegner unterlag.

Die von vielen mit großer Spannung erwartete Volksabstimmung in Kalifornien über das bisher wohl ehrgeizigste Paket an umweltpolitischen Maßnahmen vom Pestizidverbot über die Abgasverringerung bis hin zum Ölbohrstopp vor der Küste wurde von den dortigen Umweltschützern relativ deutlich verloren. Die Kampagne, die vor wenigen Monaten noch große Aussichten auf einen Erfolg hatte, mußte sich am Ende trotz der Fürsprache vieler Hollywoodgrößen der Lobby aus Farm-, Öl-, Chemie- und Farmindustrien geschlagen geben. Die Hoffnungen der amerikanischen Umweltbewegung, nach einem Erfolg im Trendsetter-Staat Kalifornien auch bundesweit verstärkten Umweltschutz salonfähig zu machen, sind damit erst einmal enttäuscht worden. Auch die Initiative Nr.130 zum Schutz der jahrhundertealten Redwood-Wälder wurde ebenso wie die Gegeninitiativen der Holzindustrie von den Wählern abgelehnt.

Enttäuscht waren Linke und Liberale auch vom Ausgang der mit Spannung erwarteten Senatswahlen im Bundesstaat North Carolina. Deutlicher als erwartet unterlag der demokratische Herausforderer und schwarze Ex-Bürgermeister der Stadt Charlotte, Harvey Gantt, dem erzreaktionären Senatsveteranen Jesse Helms. Gantt wurde nach einem deutlichen Vorsprung in den Meinungsumfragen am Ende noch von Helms abgefangen, der sich nicht scheute, mit offenen Rassismen vor seinem schwarzen Gegner zu warnen. Wieder einmal hatten die Meinungsumfragen das tatsächliche Bild verzerrt, da viele Wähler ihren eigenen Rassismus gegenüber den Befragern nicht zugeben wollen, ihn aber ihm Schutz der Wahlkabine dann doch weiter praktizierten.

Im traditionell liberalen Bundesstaat Massachusetts setzte sich erstmals seit 20 Jahren ein Republikaner bei den Gouverneurswahlen durch. Der ehemalige Staatsanwalt William Weld löst den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Michael Dukakis in Boston ab. Weld besiegte den demokratischen Kandidaten John Silver, der sich im Wahlkampf mit negativen Aussagen über Einwanderer und Schwarze bei vielen liberalen Wählern unbeliebt gemacht hatte. Abgesehen von dem Republikaner Boschwitz in Minnesota konnten die diesmal zur Wiederwahl anstehenden 34 Senatoren mit ihren Geldmitteln auch den Angriff der stärksten Herausforderer abwehren. Im Durchschnitt stand den Amtsinhabern dabei im Vergleich zu den Neulingen die vierfache Summe zur Verfügung. Im Repräsentantenhaus hatten rund drei Viertel der 406 Wiederbewerber überhaupt keine Opposition zu fürchten, die im TV- Wahlkampf finanziell hätte mithalten können. Dennoch gab es einige Beinahe-Überraschungen. Für den Kleinstaat Vermont konnte der Sozialist Bernie Sanders als Unabhängiger ins Repräsentantenhaus einziehen, während der Rechtsaußen der Republikaner, Newt Gingrich, seinen als sicher geltenden Sitz in Georgia fast verloren hätte. Doch im großen und ganzen zerstörte auch hier die Dollar-Demokratie mit ihren von mächtigen Interessengruppen finanzierten Wahlkämpfen die Hoffnungen der meisten Herausforderer.

Insgesamt sind die Zugewinne der Demokraten im Kongreß größer als noch vor Monaten erwartet, aber geringer als von der Präsidenten-Partei bei solchen „midterm elections“ befürchtet. Bei einer auf 83 Stimmen erweiterten demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus und von 56:44 Stimmen im Senat wird es Präsident Bush in den nächsten beiden Jahren schwerer fallen, sein in der Vergangenheit oft in Anspruch genommenes Vetorecht gegen Kongreßentscheidungen durchzubringen.

Von längerfristig noch größerer Bedeutung dürften die Verschiebungen bei den Gouverneurswahlen sein. Mit ihren Erfolgen in zwei der drei bevölkerungsreichen Südstaaten, in Florida und Texas, werden die Demokraten erheblichen Einfluß auf die Bestimmung der dort in diesem Jahr einzurichtenden neuen Wahlkreise haben, die wiederum die zukünftige Zusammensetzung des Kongresses verändern werden. In zwei dieser Schlüsselstaaten für die Präsidentschaftswahlen von 1992 haben die Demokraten damit ihre Augangsposition verbessert, im dritten — Kalifornien — sind sie nur knapp gescheitert.

Während Bushs Republikaner ihre erst im letzten Jahrzehnt geschaffene Wählerbasis in diesen Staaten — die Grundlage der Reaganschen Wahlerfolge — wieder schwinden sahen, mußten die Demokraten Verluste in den von ihnen regierten und von der Rezession schon länger heimgesuchten Neuenglandstaaten hinnehmen.

Am Ende dürften jedoch die Demokraten mit dem Ergebnis dieser Zwischenwahlen zufrieden sein. Denn noch vor wenigen Monaten hatten die Republikaner gehofft, bei diesen Wahlen durch die Verhinderung der sonst üblichen Verluste an die Opposition ihre Ausgangsposition für 1992 zu verbessern und langsam auf die Wiedererlangung der Mehrheit im Kongreß hinzuarbeiten. Diese Hoffnungen sind nach den Ergebnissen vom Dienstag nun wieder in weite Ferne gerückt. Statt dessen hat die Demokraten nun nach Jahren der Niedergeschlageneheit plötzlich ein Optimismus gepackt, der ihre Möchtegern-Kandidaten für die nächsten Präsidentschaftswahlen ganz plötzlich wieder um ihre Ausgangsposition rangeln läßt. Noch vor wenigen Monaten hatte niemand das scheinbar aussichtslose Rennen gegen den populären George Bush antreten wollen. Doch nach der Golfkrise, dem Hin und Her der Republikaner bei den Budgetverhandlungen und in der Steuerfrage und angesichts der drohenden Wirtschaftskrise scheint nun das Rennen von 1992 wieder offen zu sein.