Schmückermord: V-Mann stand Pate

■ Kronzeuge belastet V-Mann Weingraber

Berlin (taz) — Der V-Mann des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz, Volker von Weingraber, war offenbar sehr direkt in den Fememord an dem Berliner Studenten Ulrich Schmücker verwickelt.

Weingraber, so sagte gestern der Kronzeuge des Schmücker-Prozesses, Jürgen Bodeux, bei seiner Zeugenvernehmung vor dem Berliner Landgericht aus, habe genau gewußt, daß Schmücker von seinen ehemaligen politischen Gesinnungsgenossen aus der militanten linken Szene als „Verräter“ erschossen werden sollte. Weingraber habe sowohl die Täter gekannt, als auch die Tatvorbereitungen mitbekommen. Der V-Mann sei in die Mordpläne sogar soweit eingeweiht worden, daß ihm aufgetragen worden sei, später die Tatwaffe verschwinden zu lassen — was Weingraber dann nachgewiesenermaßen auch tat, indem er die quasi noch warme Mordwaffe seinem V-Mannführer übergab. Das einzige, was Weingraber nicht habe sicher wissen können, so gestern Kronzeuge Bodeux, war der genaue Tatzeitpunkt. Den hätte er sich aber anhand verschiedener Indizien auch ausrechnen können.

Der Student Ulrich Schmücker war 1974 von seinen politischen Mitstreitern aus der militanten linken Szene als Informand des Verfassungsschutzes enttarnt und kurze Zeit später erschossen im Berliner Grunewald aufgefunden worden. Als Tatverdächtige wurden wenig später sechs seiner ehemaligen politischen Freunde festgenommen und in bisher drei Prozeßdurchläufen zu mehrjährigen Haftstrafen und in einem Fall zu lebenslänglich verurteilt. Alle drei Urteile wurden jedoch vom Bundesgerichtshof wieder aufgehoben. Zur Zeit wird das Verfahren im vierten Durchlauf vor dem Berliner Landgericht aufgerollt.

Daß Kronzeuge Bodeux jetzt erstmals auch den V-Mann Weingraber belastete, kam gestern für Prozeßbeobachter überraschend. Durch diese Aussage wird der in den letzten Jahren mosaiksteinartig erhärtete Verdacht, der Berliner Verfassungsschutz habe beim Schmücker-Mord Pate gestanden, weiter konkretisiert. Denn wenn V-Mann Weingraber in die Mordpläne mit einbezogen war, ist kaum noch glaubhaft, daß der Verfassungsschutz selbst nicht auch detailliert eingeweiht war. Noch vor wenigen Jahren hatte der Berliner Verfassungsschutz eben diesem V-Mann Weingraber rund 700.000 Mark für die Gründung einer neuen Existenz in Italien bezahlt. Nach der gestrigen Aussage von Bodeux ist kaum zu erwarten, daß Weingraber jemals im Zeugenstand auftauchen wird. Seinen Stuhl dort müßte er nämlich jetzt flugs mit einem Platz auf der Anklagebank tauschen. Ve.