: Werner Lotze gesteht „Mord“
■ Werner Lotze will einen „Schlußstrich ziehen“/ „Mord und Mordversuch“ in vier Fällen
Werner Lotze wird voraussichtlich als erster der in der DDR festgenommenen ehemaligen RAF-Aktivisten vor Gericht gestellt. Der 3. Strafsenat des Bayrischen Oberlandesgerichts hat dem Gefangenen, der in der vergangenen Woche auf eigenen Wunsch von Nürnberg nach Berlin verlegt wurde, in diesen Tagen die Klageschrift zugestellt. Generalbundesanwalt von Stahl wirft Lotze darin Mord, Mordversuch in vier Fällen und Beteiligung an zwei Banküberfällen vor.
Lotze hat sich im Verlauf wochenlanger Verhöre von allen in der DDR festgenommenen RAF-Austeigern am stärksten selbst belastet. Bei einer Schießerei mit der Polizei im September 1978 in einem Waldstück bei Dortmund hat er den Polizisten Hans-Wilhelm Hansen aus nächster Nähe in den Rücken geschossen. Unklar ist allerdings, ob Hansen an diesem Schuß starb oder an den Schüssen aus der Pistole Michael Knolls, der bei dem Feuergefecht selbst ums Leben kam. Angelika Speitel war wegen dieser Schießerei zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, obwohl sie vermutlich nicht selbst geschossen hat. Sie wurde inzwischen von Bundespräsident von Weizsäcker begnadigt.
Außerdem war Lotze nach eigenen Angaben direkt an dem mißlungenen Sprengstoffanschlag auf den damaligen Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Alexander Haig, in Belgien beteiligt. Bei dem Attentat wurden drei Sicherheitsbeamte leicht verletzt. Lotze gestand außerdem seine Beteiligung an zwei „Geldbeschaffungsaktionen“ der RAF in Darmstadt und Nürnberg.
Im letzten gültigen Haftbefehl vor seiner Inhaftierung in der DDR war Lotze 1986 lediglich die „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und der Banküberfall in Nürnberg zur Last gelegt worden. Im Zusammenhang mit der Dortmunder Schießerei wurde zwar über seine Beteiligung spekuliert, die Verdachtsmomente reichten jedoch nicht für einen Haftbefehl. Mit dem Anschlag auf General Haig war der Gefangene vor seinem Geständnis nicht in Verbindung gebracht worden.
Lotze ist mit der im Juni ebenfalls kurzfristig in der DDR festgenommenen früheren RAF-Frau Christine Dümlein verheiratet. Beide haben eine siebenjährige Tochter. Von Anfang an hatte er erklärt, er werde aus persönlichen und familiären Gründen versuchen, „einen Schlußstrich zu ziehen, soweit dies möglich ist“. Diese Aufarbeitung der Vergangenheit habe mit den sogenannten Aussteigerprogrammen oder der Kronzeugenregelung, von denen er lediglich gehört habe, nichts zu tun.
Lotze hat sich nach eigenen Angaben bald nach dem Anschlag auf General Haig im Sommer 1979 von der Gruppe getrennt. Bis zu seiner Übersiedlung in die DDR (Oktober 1980) lebte er in Paris und an der französischen Bretagne-Küste. gero
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