piwik no script img

“Ich bin ein auslaufendes Modell“

■ Hans Koschnick über seine Motivation, weiter Politik zu machen

Bitte Bild 4

Was motiviert Sie, jetzt noch einmal für den Bundestag zu kandidieren?

Wir haben eine ganz neue europäische Entwicklung. Da ist nicht nur die deutsche Einheit, sondern es ist der Aufbruch in Ost- und Mitteleuropa. Da gibt es den Aufbruch der Bürgerrechts- und Ökologiebewegungen. Mit diesen Gruppierungen habe ich viele, viele Jahre zusammengearbeitet, vielfach ohne Öffentlichkeit, um die Menschen dort nicht zu gefährden. Diese Aufgabe macht Sinn, weitergeführt zu werden. Wenn man mich aber fragt, ob ich einer der großen Mitmischer sein möchte, die neuen Veränderungen auf das Jahr 2.000 zu beziehen: Nein. Ich bin nicht im Rathaus ausgeschieden, um einer neuen Generation Platz zu machen, um zu sagen, in Bonn können die alten Säcke weitermachen. Ich gehe in vier Jahre aus dieser Verantwortung 'raus.

In der neuen historischen Situation droht der SPD ein Mauerblümchen-Dasein. Ist das für einen leidenschaftlichen Sozialdemokraten nicht frustrierend?

Nein. Natürlich profitiert Kohl von Politik, die mit den Namen Brandt und Schmidt zusammenhängen. Aber wenn die Sache gut ist, ist das wichtiger als das Erstgeburtsrecht.

Und Kohl macht es gut?

Ich sage nicht, daß er es gut macht. Aber er nutzt die Chance. Manches im Vereinigungsprozeß ist schiefgegangen. Aber eins weiß ich: Die Menschen wollten diesen Weg. Kohl werfe ich vor, daß er neue Grenzen an der Oder- Neiße-Grenze und am Böhmerwald aufbaut. Er läßt Menschen, die die Freiheit durchgesetzt haben, jetzt alleine.

Die SPD hat bei diesen Bundestagswahlen keine Chance mehr und,...

Sie sind ja Defätist.

...und es könnte für sie schlimmer kommen. Die SPD könnte die Mehrheitsfähigkeit für den Rest dieses Jahrzehntes verlieren.

Im Januar wird in Hessen gewählt, im April in Rheinla-Pfalz. Wenn wir dort gewinnen, dann haben wir die Mehrheit im Bundesrat. Und dann muß die CDU/ CSU mit uns arbeiten. Ich gehe davon aus, daß Mitte nächsten Jahres die beiden großen Parteien, nicht in einer Regierung, aber in den Strukturen der Politik zusammenarbeiten werden.

Woher nehmen Sie nach sovielen Jahren noch die Lust auf Politik. Sind sie Politiksüchtig.

Nein, eine Sucht ist das nicht. Es ist schwer zu sagen, daß die Lust so groß ist, daß ich mir nichts anderes vorstellen könnte. Ich komme ja in doppelten Beweisnotstand. Ich muß das ja nicht nur gegenüber meinen Wählern beweisen, was ich tue. Ich muß ja besonders meiner Frau beweisen, daß nicht nur eine Verlängerung einer Politikerkarriere ist. Ach was, Karriere ist das ja gar nicht mehr. Die Frage ist ja nur: Kann ich noch irgendetwas verändern, dann lohnt es sich. Zum Parteivorstand werde ich im Mai nicht mehr kandidieren. Es ist besser man macht das nach eigener Entscheidung, als daß das mit einem gemacht wird. Ich bin ein auslaufendes Modell. Fragen: hbk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen