“Kontrapunkt gegen Kohl"

■ Der grüne Spitzenkandidat Ralf Fücks

taz: Kommen bei Wahlveranstaltungen noch Leute zu Dir, die von den Grünen etwas wollen, die Euch als ihre Lobby in Bonn betrachten?

Ralf Fücks: Die gibt es immer noch. Und zwar nicht nur in unseren klassischen Milieus, der Ökologie- und den Ausläufern der Friedensbewegung. Die gibt es auch in Veranstaltungen zum Beispiel im Altersheim. Das ist für mich die beste Erfahrung im ganzen Wahlkampf: Daß ich mich im fremden Terrain besser bewegen kann als in dem Umfeld, aus dem ich selbst komme. Offensichtlich haben die Grünen außerhalb der Szene oft noch mehr Kredit als drinnen.

Woran liegt das?

Das hat was mit der politischen Ermüdung und den Ohnmachtsgefühlen zu tun, die in diesem grün-alternativen Spektrum so vorherrschend sind. Es gibt dort insgesamt keine große Motivation für die kommende Bundestagswahl.

Liegt das nicht vielleicht auch an der inzwischen gewonnenen Erfahrung dieser Szene, daß über grüne Präsenz in den Parlamenten gar nichts erreicht worden oder zu erreichen ist?

Die Bilanz ist gar nicht so negativ. Es ist natürlich eine Frage der Erwartungen. Wir denken ja alle inzwischen in längeren Zeiträumen und haben gelernt, daß die Wirklichkeit viel komplexer ist und für einfache Lösungen ziemlich widerständig.

Aber die Grünen haben doch indirekt viel mehr bewirkt, als wir uns zuschreiben. Wir machen uns erfolgloser, als wir sind.

hier bitte Kopf 3

Ralf Fücks

Und das ist unabhängig vom Wahlergebnis?

Ja, ziemlich unabhängig davon. Natürlich dürfen wir nicht so lädiert werden an der 5-Prozent- Grenze, daß daraus eine Demoralisierung entsteht...

Aber Verluste sind schon einkalkuliert?

Für mich nicht, ich glaube, die Großwetterlage ist für die Grünen im Moment so schlecht nicht. Es gibt das Bedürfnis, Kohl einen Kontrapunkt entgegenzusetzen, die SPD hat sich schon weitgehend aufgegeben, die PDS hat viel von ihren Vorschußlorbeeren selber verwelken lassen. Das Problem ist eher, daß unsere politische Richtung sich gesellschaftlich nicht viel zutraut.

Was gibt es für einen konkreten Grund, einen Bremer Grünen nach Bonn zu schicken?

Das ist weniger eine Frage des Wahlbezirks, sondern eine Frage der Person. Und ich gehe davon aus, daß ich in der neuen Fraktion kein Hinterbänkler sein werde.

Nun steht ja Manfred Richter innerhalb der FDP auf der sozialliberalen Seite, läßt sich zusammen mit Burkhard Hirsch im Wahlprospekt abbilden, vertritt die Fristenregelung beim § 218 usw. Wäre es bei den eh schon klaren Mehrheitsverhältnissen in Bonn nicht viel gescheiter, jedenfalls die FDP zu unterstützen?

Wer ist Manfred Richter gegen Lambsdorff. Die FDP ist umgefallen, als es um die Sicherheitsgesetze ging, sie ist in der Wohnungspolitik schlimmer als die CSU, spielt die Rolle einer ökologischen Bremserpartei und hat Kohls deutschlandpolitischen Gewaltakt mitgetragen — es ist ein bißchen zu viel verlangt, daß jemand, der von der Grundposition für Ökologie, Bürgerrechte und Pazifismus steht, jetzt FDP wählen soll. Das ist Selbstmord aus Angst vor dem Tode.

Fragen: Dirk Asendorpf