Mao noch wertvoller als Ulbricht

■ »Philatelia '90« in der Kongreßhalle am Alex: Briefmarkensammler ergänzen ihr Deutschland

Mitte. Auch die DDR hat ihren Preis. Komplett mit Walter Ulbricht, von 1949 bis 1990, kostet sie 4.850 Mark — als Sonderangebot, versteht sich. Aber durchgängig postfrisch. Zum Vorzugspreis ist sie noch bis heute abend, 18 Uhr, in der Kongreßhalle am Alexanderplatz zu erwerben. Dort nämlich findet derzeit die Philatelia '90, die erste nationale Briefmarkenausstellung, ihrerseits komplett mit Sonderstempeln, Ausstellungskarten, einem Sonderpostamt und vielen Händlern statt. Dabei sei, merkt ein Experte an, gar nicht die Philatelia '90 die erste deutsche Briefmarkenschau gewesen, sondern die Deutsche Briefmarken-Ausstellung (Debria), die 1950 ebenfalls in Berlin stattfand.

Heute sind ältere Männer die dominierende Besuchergruppe — und Deutschland ist ihr Thema. Ost- Sammler ergänzen ihre West-Werte, vor allem aber haben die West- Sammler die früher gemiedenen Ostmarken entdeckt. In zahllosen BRD- Sammlungen sind die Nachkriegsjahrgänge längst komplett, und ihre Besitzer haben schon seit etwa zwei Jahren das Dritte Reich sozusagen als BRD-Vorläufer entdeckt — mit dem Ergebnis, daß die Nazi-Marken im Preis recht deutlich zugelegt haben. Nun aber gibt es ein großes, aber überschaubares Sammelgebiet, das zudem abgeschlossen ist: die DDR.

Prompt hat sich der Wert ihrer Briefmarken innerhalb von zwölf Monaten durchschnittlich verdoppelt. Und einige Stücke liegen noch weit über dem Durchschnitt, etwa die Marken zur deutsch-chinesischen Freundschaft mit dem Portrait von Mao Tse-tung, den die DDR- Postverwaltung 1951 ausgegeben und später gar nicht mehr so gerne im Umlauf gesehen hat.

Aber auch die Ost-Sammler selbst treten in starkem Maße als Käufer von DDR-Werten auf. Zum einen hatten sie in den fünfziger Jahren Wichtigeres zu beschaffen als die reizvollen Stückchen Papier, zum anderen aber hat die DDR zur Devisenbeschaffung auch damals schon einen bedeutenden Teil ihrer Auflagen in den Westen verhökert. Jetzt noch zuzukaufen, lohnt sich allerdings nicht mehr: Der große Deal ist längst gemacht. Westberlin als jetzt gleichfalls abgeschlossenes Sammelgebiet wird unterschiedlich eingeschätzt. Ohnehin recht teuer, haben diese Marken bei Sammlern den Ruch der Langeweile, weil sich die Motive kaum von den entsprechenden BRD-Marken unterscheiden.

Offenbar unvermeidlich, ist Berlin aber nun auch noch zur »Hauptstadt der Philatelie« erhoben worden. Und was sind die DDR-Marken wert, die, einer Umfrage zufolge, zuhauf auch noch bei der hauptstädtischen Leserschaft dieses Blattes herumliegen? Das Standardwerk zur Preisbestimmung, der »Deutschland-Michel«, ist trotz Nachdruck bereits wieder vergriffen. Rechtzeitig zu Weihnachten erscheint aber noch der aktualisierte »Junior-Michel«. Unsere Empfehlung: Einstweilen DDR behalten, frühestens im nächsten Sommer abstoßen. Dietmar Bartz,

Wirtschaftsredakteur