Stückwerk

■ Der Grüne Gesetzentwurf zur Kinderbetreuung KOMMENTARE

Auch bei den Grünen rangiert die Frauenpolitik unter „ferner liefen...“. En passant beschloß die Fraktion ein „Elternfreistellungsgesetz“, über das zu diskutieren sich gelohnt hätte. So konnte es passieren, daß — ganz nebenbei — eine zentrale Forderung der Frauenbewegung fast ganz unter den Tisch fiel: Die gleiche Verteilung von Erwerbs- und Erziehungsarbeit zwischen Männern und Frauen.

Im grünen Arbeitskreis „Frauen“ wurde um den Gesetzentwurf noch heftig gestritten. Drei Knackpunkte stellten sich heraus. Erstens. Ist es nicht konsequenter, anstelle der Arbeitszeitverkürzung für Eltern den Sechs-Stunden-Tag für alle zu fordern? Auch die linken Gewerkschafterinnen sahen zum Glück ein, daß sich beides nicht ausschließt und sich Arbeitszeitverkürzung für Eltern möglicherweise noch vor der allgemeinen durchsetzen läßt.

Zweiter Streitpunkt: Soll, wer wegen der Kinder kürzer arbeitet, Lohnersatz bezahlt bekommen? Ist es ungerecht, daß die Verkäuferin dann, weil sie insgesamt weniger verdient, nicht ebensoviel bekommt wie der Ingenieur? Kann zudem von allen Arbeitnehmern, auch wenn sie keine Kinder wollen, verlangt werden, in eine Eltern-Versicherung einzuzahlen? Das in Schweden bereits praktizierte Modell geht von der — richtigen — Annahme aus, daß die Solidargemeinschaft Mütter und Väter unterstützen sollte, da Kinderkriegen kein Privatvergnügen ist. Diese Unterstützung darf nicht nur, wie das derzeitige Erziehungsgeld von 600 Mark ein Zubrot sein, sondern muß den Lohnausfall ersetzen. Dann bekommt eben der Ingenieur, wenn er der Kinder wegen zu Hause bleibt, mehr bezahlt als die Verkäuferin.

Mit dieser Ungerechtigkeit könnte frau leben. Wenn er denn zuhause bliebe, der Ingenieur. Tut er aber nicht. Und das ist der dritte Knackpunkt: Schlappe 0,4 Prozent der erwerbstätigen Männer (in Worten: null Komma vier) teilen sich bei uns den Erziehungsurlaub mit ihrer Partnerin. Und in Schweden, wo es das vorbildliche Versicherungsmodell mit Lohnersatz gibt, nehmen fast genausowenige Kinderurlaub oder arbeiten kürzer. Wie können die grünen Frauen da ganz auf Freiwilligkeit setzen? Natürlich hat es keinen Sinn, die Männer per Gesetz zu verpflichten, daß sie Erziehungsurlaub nehmen. Aber die sanfte Drohung würde ihre Wirkung sicher nicht verfehlen: Wenn der Partner nicht die Hälfte der Betreuungszeit übernimmt, dann verfällt eben sein Teil (also eineinhalb Jahre) des Kinderurlaubs. Die Grünen haben diese Forderung aus ihrem Anti-Diskriminierungsgesetz und dem Umbau-Programm aufgegeben. Freche Frauen werden immer leiser. Tina Stadlmayer