Kurzschluß zweier Dienstwege

■ Hessens Datenschützer Simitis rekonstruierte, wie Ex-Innenminister Milde an das Abhörprotokoll kam

Wiesbaden (taz) — Jetzt brauche es, sagte gestern vormittag ein Abgeordneter, „allmählich eine Zeichnung“. Der Weg, den das Abhörprotokoll bis zur Verlesung durch den zurückgetretenen Innenminister Gottfried Milde (CDU) am 24. Oktober im Hessischen Landtag genommen hatte, ist in der Tat verschlungen. Mit Mühe konnte Datenschützer Spiros Simitis gestern die dunklen Pfade rekonstruieren, die sich zwischen ganz legalen, illegalen und halblegalen Querverbindungen seit Jahresanfang über die Schreibtische von Ermittlungsbehörden und Landesregierung schlängelten.

Zur Rekonstruktion: Im Januar hörte das Bundeskriminalamt (BKA) ein Gespräch zwischen dem Frankfurter Rechtsanwalt Goetz und dem 'Stern‘-Redakteur Kettner ab. Goetz, in anderer Sache verdächtig, bot damals gegen ein Entgelt von 150.000 Mark ein Interview mit dem Bordellkönig Hersch Beker an, das Ministerpräsident Wallmann, so seine Andeutungen, schaden könne. Ein Protokoll dieses „Zufallsfundes“ ging, so Simitis, rechtlich einwandfrei an die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Diese gab es an die — vom BKA bereits unterrichtete — gegen Beker ermittelnde Frankfurter Kripo (K 54) weiter. Dann verlieren sich die Spuren einiger Telefonate und Gespräche am Rande von Veranstaltungen, zum Beispiel zwischen einem Kripo-Mann und seinem für die Polizei zuständigen Kollegen aus dem Innenministerium, eher im dunkeln. Jedenfalls forderte das vorab informierte Innenministerium das Protokoll bei der Kripo an und bekam es auch. Genau an diesem Punkt, so gestern der Pressesprecher des Datenschützers Schranz, seien zwei an sich legale „Dienstwege“ unrechtmäßig kurzgeschlossen worden. Wie und wann dann auch noch der Leiter der Staatskanzlei und enge Vertraute Wallmanns, Alexander Gauland (CDU), in den Besitz der Informationen kam, ist ebenfalls ungeklärt. Während der Debatte im Hauptausschuß jedenfalls bekam er von Justizminister Koch (CDU), der derzeit auch als Innenminister amtiert, den Mund verboten.

Datenschützer Simitis rügte dies alles scharf. Das Protokoll, so seine Meinung, hätte trotz des vorhandenen Dienstweges zwischen Kripo und Innenministerium nicht dorthin gegeben werden dürfen und als „Zufallsfund“ längst vernichtet sein müssen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jurist Rupert von Plottnitz, machte auch Ministerpräsident Wallmann für die Affäre verantwortlich. Offenbar behandele die Landesregierung „Aktenteile aus Ermittlungsverfahren als Selbstbedienungsladen“, die sie nach Gusto „auf Halde genommen und nach Bedarf dann zur parteipolitischen Verwertung aus dem Zylinder gezaubert“ habe. Daß der juztizpolitische Sprecher der FDP, Hahn, inzwischen „neue Gesetze“ für den dubiosen Dienstweg gefordert hat, konterte Plottnitz: „Die Gesetze haben wir schon, man muß sich nur dran halten.“ hei