Bitte stoppt die Wiederkäuer!

■ Wie Pastor Sixt mit eigenen Worten Paulus verfünfzehnfachte

Oh, meine Damen und Herren von der Domgemeinde! Warum nur, in Herrgotts Namen, sind Sie so inkonsequent?

Sie verfügen über einen zentral gelegenen Kirchenbau, außerdem über eine prächtige Orgel und über einen schönstimmigen Chor, der den Sonntagmorgen regelmäßig durch ein unvergeßliches „Kyrie eleison“ zu bereichern weiß. Warum also komplettieren Sie diese Annehmlichkeiten nicht durch eine weitere und viel entscheidendere, nämlich dadurch, daß Sie endlich eine gut ausgebildete BibelvorleserIn einstellen? Eine, die mit wohltemperierter Stimme Original Alt- und Neutestamentarisches vorträgt und Dompastoren überflüssig macht. Zur geistigen Erbauung am Sonntag morgen. Passend zu Orgel und Chor.

Nein. Statt einer guttönenden BibelvorleserIn muß die Dombesucherin mit Pastor Sixt Vorlieb nehmen. Einem Pastor, der zwar auch anfangs aus der Bibel vorliest. Der aber dann aufhört zu lesen, weil er es für seine Pastorenpflicht hält, uns Gottes Wort auszulegen. Doch, und da liegt auch schon ein Weg zur Selbsterkenntnis, sogar Pastor Sixt selbst ist tief davon überzeugt, daß seine Auslegungskünste an das Bibel-Original nur ungenügend heranreichen können. Seine Predigt begann er gestern denn auch mit den Worten: „Man muß eigentlich nichts auslegen an diesen Bildern. Sie sprechen für sich.“ Ja, zum Teufel, warum Herr Sixt, lesen Sie dann nicht einfach weiter — aus Psalmen und Römerbrief?

„Denn leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Wir leben nun oder wir sterben, so sind wir des Herrn“, schreibt Paulus. „Lehre uns unsere Tage zählen, daß wir ein weises Herz gewinnen“, steht in Psalm 90.

Und Pastor Sixt legt aus und legt aus: „Herr, Du bist unsere Zuflucht“ — „Wir wissen, daß wir sterben müssen, aber wir sind ständig in der Gefahr, dieses Wissen zu verdrängen.“ — „Der Tod ist eine Herausforderung“ — „Der bejahte Tod ist der schon entmachtete Tod.“ — „Wir sind des Herrn“ — „Wir sehen uns wieder — nicht wie wir wollen, sondern wie Gott es will.“ — „Amen“

Wie gesagt, ich fände es ausgesprochen sinnvoll, wenn meine bescheidenen Kirchensteuern für eine gut ausgebildete BibelvorleserIn verwandt würden. Mit freundl. Grüßen: Barbara Debus