Die Kirche warnt vor Stasi-Akten

Berlin (dpa) — Gegen unbefugten Umgang mit Stasi-Akten habe sich Vertreter der evangelischen Kirche ausgesprochen und vor „leichtfertigen Veröffentlichungen“ gewarnt. In der gegenwärtigen Situation könne die Nennung von Namen einer Vorverurteilung gleichkommen, sagte der Leiter des Sekretariats der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der früheren DDR, Martin Ziegler, am Sonnabend vor JournalistInnen in Berlin.

Nach Auffassung des Kirchenbundvorsitzenden in der ehemaligen DDR, Bischof Christoph Demke (Magdeburg), muß die Vergangenheitsbewältigung in der DDR erheblich mehr bedeuten als nur Stasibereinigung. Es gehe darum, daß Menschen vom vergangenen System in Verhalten und Denkweise „bis zur Deformation“ geprägt seien. Besonders die Kirche sei auf allen Ebenen Gegenstand der Erkundung durch den Stasi gewesen, was in den Kirchenleitungen auch bekannt war. Die Stasi habe Werbungsversuche unternommen und Mitarbeiter unter Drucksituationen verpflichtet. Die Kirche sei ein „Spiegelbild der Verhältnisse in diesem Land“.

Man müsse Wege suchen, wie Menschen ihre Ängste überwinden könnten, um ihre Lebensgeschichte auszusprechen und dadurch Entlastung zu erfahren. Es gebe immer noch eine Atmosphäre von Angst, sagte Demke, so daß auch die Opfer der Stasi sich noch nicht trauten, ihre Rehabilitierung öffentlich geltend zu machen. Der Bischof berichtete von anonymen Anrufen, mit denen solche Menschen belästigt würden. Gerechtigkeit könne nicht dadurch hergestellt werden, daß Erpreßte und Verstrickte in die Öffentlichkeit gebracht würden, aber die Erpresser und Verstricker unbehelligt blieben oder für ihre Berichte aus Aktenkenntnissen noch hohe Honorare bekämen.

Demke und Ziegler teilten ferner mit, bei einer Vereinigung der beiden Kirchenbünde in Deutschland, die ein langwieriger, komplexer Vorgang sein werde, solle die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom Kirchenbund nicht einfach übernommen werden. Es gebe spezifische Aufgaben für die Landeskirchen in der ehemaligen DDR, die sie für sich wahrnehmen würden. Dazu gehörten eigene Formen der Soldatenseelsorge.