Polizeiarzt mißbraucht Drogensüchtige

■ In Arrestzelle sexuell mißbraucht/ Gericht erhöht Strafe auf ein Jahr und vier Monate mit Bewährung

Saarbrücken (taz) — Wegen sexuellen Mißbrauchs und Nötigung in einer Arrestzelle sowie wegen Amtsmißbrauchs hat das Landgericht Saarbrücken einen Polizeiarzt zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Damit erhöhte das Gericht Ende letzter Woche in zweiter Instanz das Strafmaß der ersten Instanz um vier Monate. Der Arzt bestritt die Tat bis zuletzt und kündigte an, Revision einzulegen. Unklar ist noch, ob die Ärztekammer ihm im Falle einer dann rechtskräftigen Verurteilung die Zulassung entzieht. Der niedergelassene Mediziner aus dem Raum Völklingen, der bisher weiter praktizieren durfte, führte seit mehr als zehn Jahren Aufträge der Polizei aus. Er nahm Urin- und Blutproben, stellte Atteste aus.

So wurde er auch 1987 bestellt, nachdem die Saarbrücker Polizei eine 30jährige drogenabhängige Frau und zwei Männer aufgegriffen und auf der Polizeiwache Saarbrücken arrestiert hatte. Der Mediziner sollte sie auf Einstichstellen untersuchen. Doch statt dessen schlug er ihr einen Deal vor, so die Zeugin vor Gericht. Sie solle sich entkleiden und ihm sexuell gefügig sein — dann werde er sie clean schreiben, sprich: keine Einstiche festellen. Die Arrestierte, gerade erst wegen Drogenmißbrauchs verurteilt, fürchtete um ihre noch laufende Bewährung und willigte ein.

Bei ihrer Vernehmung indessen erzählte sie einem der Kripobeamten von dem Mißbrauch. Der Arzt bestätigte, daß die Frau sich bis auf den Slip ausziehen mußte, bestritt aber die sexuellen Handlungen. Somit stand Aussage gegen Aussage. Tatsache aber ist, daß laut Protokoll „keine Einstichstellen“ festgestellt wurden, obwohl Polizeibeamte kurz darauf das Gegenteil herausfanden.

Die Verteidigung legte es darauf an, die Frau — da drogenabhängig — als unglaubwürdig hinzustellen. Das Vergehen solle ihrer Phantasie entsprungen sein.

Das Opfer (!) mußte sich einem psychiatrischen und einem psychologischen Gutachten unterziehen. Ergebnis indessen: Die Frau litt unter keinerlei Neurosen. Das Gericht sah ihre Schilderung des Tathergangs als glaubwürdig an. Dagegen erlitt die Glaubwürdigkeit des Arztes Schiffbruch: Zeuginnen aus dem Prostituiertenmilieu bestätigten, den Arzt als Kunden zu kennen. Dort habe er sich als „Polizeiarzt“ wichtig getan. Jo Weidemann