Stasi im Westberliner Melderegister

Berlin (taz) — Wann immer das frühere Ministerium für Staatssicherheit (MfS) die Daten über Westberliner BürgerInnen haben wollte, die Beschaffung war kein Problem. Die Stasi war in den letzten Jahren im Besitz der behördeninternen Geheimcodes und konnte damit quasi im On- line-Verfahren auf alle vertraulichen Personendaten, etwa im Landeseinwohneramt oder in der Kraftfahrzeugzulassungsstelle, zurückgreifen. Das berichtete gestern die 'Berliner Morgenpost‘. Wenn die Stasi Detailinformationen über Westberliner Bewohner erlangen wollte, sei von dieser Möglichkeit auch kräftig Gebrauch gemacht worden. Bislang hatten die Westberliner Behörden immer behauptet, ihre Datennetze seien vor dem unbefugten Zugriff Dritter wirksam geschützt.

Wie im Bundesgebiet ist auch in Berlin der Verfassungsschutz den Stasispitzeln ein offenes Buch gewesen. Aus dem Bundesinnenministerium in Bonn will das Springer-Blatt erfahren haben, daß das MfS auch über alle Aktivitäten des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) in West-Berlin genauestens im Bilde war. So habe es kein einziges Telefonat aus oder in das Amt hinein gegeben, das nicht von Stasioffizieren mitgehört und mitgeschnitten wurde. Bereits im Frühjahr war bekannt geworden, daß die Stasi neben den Richtfunkstrecken der Bundespost auch den Telefonverkehr zwischen den Bonner Behörden flächendeckend überwacht hat.

Darüber hinaus haben Stasileute dem Bericht zufolge das Gebäude des Landesamtes in Berlin-Dahlem ständig observiert. Agenten hätten jeden Besucher sowie alle aus dem Haus kommenden Personen mit Spezialkameras aufgenommen. In den MfS- Akten wären außerdem Dossiers über mehr als vierzig in Spitzenbeamte des Landesamtes gefunden worden. Die darin enthaltenen Angaben beinhalteten auch intimste Einzelheiten, selbst die von Familienangehörigen der LfV-Mitarbeiter. Zum Beispiel sei festgehalten worden, daß die Ehefrau eines LfV-Bediensteten bei Abwesenheit ihres Mannes lesbischen Neigungen nachging. Beim Berliner Landesamt soll es keinen von der Stasi gesteuerten Doppelagenten gegeben haben. Ein früherer Stasioffizier habe das damit erklärt: „Wir brauchten im LfV keinen Maulwurf, weil wir über die ohnehin alles wußten.“ wg.