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8001 Ö-Männchen

■ Herbert Grönemeyer in der Bremer Stadthalle, und alle sangen mit

Das müssen Mutter und Tochter sein, die da im zweiten Rang stehen und unisono und aus voller

Zweieinhalb Stunden rhythmische Skigymnastik

Kehle „Deine Liebe klebt singen. Und mit ihnen hüpfen 8000 Männchen in der Stadthalle und brüllen so akzentuiert, daß das allemal besser zu verstehen ist als der kleine, schwarzgekleidete Mann hinter seinem E-Piano.

Der hüpft jetzt von links nach rechts über die Bühne, eckig, den Arm hoch, Beine links, rechts geschleudert. Wer so arbeitet, der braucht das erste Handtuch schon nach zehn Minuten, und da hat er noch mehr als zwei Stunden Konzert vor sich. Dieser Spitzname macht Sinn: Herbie läuft und läuft und läuft.

Er ist der absolute Abräumer der Popszene. Sein neues Album Luxus verkauft sich wie kein anderes in der bundesdeutschen Schallplattengeschichte, trotz meist mäßiger Kritiken. Und die Konzerttournee, die ihn vier Monate lang durch deutschsprachige Lande führt, ist schon so gut wie ausverkauft. Wie auch die Stadthalle am Sonntag abend.

Da steht er und brüllt und schreit und ist schier nicht zu verstehen, es sei denn man kennt seine Texte in-und auswendig. Und das ist hörbar der Fall. So gerät der Abend zur gemeinsamen stimmungsvollen Gesangsdoppelstunde. Das Publikum feiert den Sänger und der sein Publikum. Wobei es sehr egal ist, ob Herbie über sein Leiden an der Liebe, am Bundeskanzler oder an verhökerten Seelen singt. Auch wenn er differenziert singen mag, die 8.000 Ö-Männchen singen immer gleich. Und so kann es passieren, daß bei einem Lied über sexuellen Mißbrauch von Kindern die Wunderkerzen die Stadthalle illuminieren, als ginge es um die reine Liebe. Der Stimmung tut's keinen Abbruch. Und wenn Grönemeyer „friedvoll, liebestoll, überwältigt von Dir“ singt, das Saxophon röhrt und die Liebste mit der Hand durch's Haar fährt, dann ist das schön.

Und zwar so schön, daß das Publikum ein Ende des Konzertes erst zuläßt, als es einfach nicht mehr kann. Der da vorne aber, der macht auch nach 150 Minuten rhythmischer Skigymnastik den Eindruck, als könne er unentwegt so weiterhüpfen. hbk

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