Skandalfirma ICI erhöht Produktion

■ Aktionskonferenz Nordsee protestiert / Bezirksregierung hat „keine Bedenken“

Vor kurzem ging es durch die Presse: Der Störfall beim Wilhelmshavener PVC-Großhersteller ICI. Rund 800 Liter der Substanz 1,2—Dichlorethan waren nach Angaben der Firma in die Jade geflossen. Da die Substanz als „schwer giftig“ gilt, mußte für die vier Kilometer entfernten Muschelbänke Fangverbot erteilt werden.

Trotz Kritik von Bürgern und Umweltschützern will ICI seine PVC-Produktion weiter erhöhen — von 180.000 auf 230.000 Jahrestonnen. Die „Aktionskonferenz Nordsee“ sieht darin eine erneute Gefahr für Umwelt und Gesundheit der Anwohner. Sie fordern, daß PVC-Produktionskapazitäten aus umweltpolitischen Gründen generell „zügig abgebaut werden“.

Was absolutes Novum für die Firmengeschichte war: Zum ersten Mal hatten Bürger und Umweltbewußte die Möglichkeit, bei einer öffentlichen Erörterung gegen die Produktionsausweitung der Skandalfirma zu protestieren. Die „Aktionskonferenz Nordsee“ nutzte die Gelegenheit und trug gegen die geplante 30 prozentige Emissionserhöhung von Vinylchlorid „Einwendungen“ vor.

Schon heute darf die Firma 16 Tonnen der krebserregenden Substanz in die Luft schleudern. Eine weitere Erhöhung hält die Organisation für unverantwortlich. „Als die Firmenvertreter Stellung nahmen, drohte die ganze Anhörung zunächst in eine Werbeveranstaltung auszuarten“, erzählt Peter Willers vom Vorstand der Umweltorganisation. „Das haben wir allerdings schnell abbiegen können.“ Hauptvorwürfe der „Aktionskonferenz“: ICI beantragt die Emissionserhöhung von krebserzeugendem Vinylchlorid. Die Firma beabsichtigt, die Abluft weiterhin ungereinigt in die Umgebung zu entlassen. Reststoffvermeidung und Wiederverwertung sind unzureichend geprüft worden. „Wir sind der Meinung, daß so eine Produktion mit all diesen Risikofaktoren überhaupt nicht betrieben werden darf“, faßt Willers zusammen.

„Wir hatten wirklich den Eindruck,“ sagt er weiter, „daß die Bezirksregierung verstanden hat, worum es geht und sich wirklich ernsthaft mit dem Problem auseinandersetzen will.“

Von ganz anderer Tonart zeugt jedoch das zu erwartende Ergebnis. „Ich glaube, daß es insgesamt keine schwerwiegenden Hindernisse für eine Produktionserweiterung gibt,“ sagte gestern Heino Oels, Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes Weser-Ems. Er wird im Namen der Bezirksregierung letztendlich die Entscheidung treffen. Man könne die Emissionen lediglich auf ein „Mindestmaß“ reduzieren. Ablehnungen hat es soweit er sich erinnern könne überhaupt noch nicht gegeben. Denn, bei der Erörterung ginge es ja nicht darum „demokratisch abzustimmen“. Der Bürger solle lediglich informiert und „unberechtigte Bedenken“ ausgeräumt werden. Zu der Genehmigung meint Oels: „Jeder weiß schließlich auch, daß die Autos, die am Werk vorbeifahren die Umwelt belasten, und trotzdem werden sie nicht verboten.“

Birgit Ziegenhagen