Diener und Helfer auf dem Weg zur IG Soziales?

■ Berliner Landesverband der Interessengewerkschaft Soziales will neues Auffangbecken für soziale Berufe sein/ Resonanz bisher noch zögerlich/ Erste Rüffel von der ÖTV/ Aber auch bei der GEW fühlen sich die durchweg Unterbezahlten nicht zu Hause

Berlin. Es rumort schon seit Jahren im sozialen Dienstleistungsbereich — aber immer nur hinter vorgehaltener Hand. Sie helfen gern — deshalb haben sie diesen Beruf gewählt. Sie engagieren sich, oft über die Erschöpfungsgrenze hinaus; Kontakte mit anderen Menschen mögen sie; grundsätzlich interessieren sie sich für alles — außer für die eigenen Berufsinteressen. Materielles zu artikulieren liegt ihnen nicht — Geld stinkt doch, auch wenn es die anderen verdienen.

So klassifizierte Diego Feßmann im 'Sozialmagazin‘ die Gruppe der im Sozialbereich Tätigen: KindergärtnerInnen, SozialarbeiterInnen und KrankenpflegerInnen. Was sie verbindet, ist die allgemein schlechte Bezahlung in diesen Berufen, hohe individuelle Anforderungen, unzureichende weil hauptsächlich von Fachfremden geleistete Ausbildung sowie die fehlende Lobby. Zusätzlich geschwächt sind die sozialen Berufe, weil eine gemeinsame Interessensorganisation fehlt. Zwar heben gleich zwei Gewerkschaften zwecks Unterschlupf ihren organisatorischen Rock — so richtig gemütlich aber ist es für die im Sozialbereich Beschäftigten weder bei der GEW noch bei der ÖTV: Während die eine hauptsächlich ihr LehrerInnenklientel umschmeichelt und ansonsten ein Schattendasein führt, will es die andere allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst recht machen — und da ist soziale Arbeit eben nur eine unter vielen.

Deshalb will der Berliner Landesverband der Interessengewerkschaft Soziales fortan als neues Auffangbecken für die Beschäftigten im Sozialbereich dienen. Bundesweit im Februar von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen in München gegründet, ist die Gewerkschaft nach Angaben des Berliner Vorstandsmitgliedes Dierk Fischer für Pflege- und pädagogische Berufe ebenso offen wie für andere Beschäftigte im sozialen Dienstleistungsbereich. Noch immer orientiere sich deren Bezahlung am Bild sozialer Fürsorge der 50iger und 60iger Jahre — erklärtes Ziel der jungen Gewerkschaft sei es deshalb, die »soziale Landschaft unseres Staates« in einigen Punkten grundsätzlich zu verändern, bessere Bezahlung allein reiche nicht aus.

Sobald wie möglich will die bislang nicht im DGB vertretene IG Soziales, die in Berlin trotz ihres zarten Alters immerhin schon über 100 Mitglieder vorweisen kann, als Tarifpartner auftreten. Doch schon fing sich die IG Soziales von der ÖTV einen Rüffel ein: Die neue Gewerkschaft würde die Beschäftigten in Bezug auf ihre Interessenvertretung spalten. Die für eine Gewerkschaft notwendige Fähigkeit zu Druck und Gegendruck könne sie aufgrund der »geringen Zahl von Beschäftigten in diesen Bereichen« ohnehin nicht erlangen. Fischers Gegenargument: Das Potential sei durchaus vorhanden, allein die Zahl der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen sei in den letzten zwanzig Jahren von 135.000 auf 430.000 gestiegen.

Doch auch die eigene Klientel setzte der ersten »Wir-sind-die-einzige-Alternative«-Euphorie bereits einen Dämpfer auf: Das Mißtrauen gegenüber Organisationen sitzt bei den im Sozialbereich Engagierten genauso tief wie das Helfersyndrom. Nur wenige wollen sich organisieren. Hauptargument: Wir können doch unsere Patienten/Schützlinge/Klienten nicht vernachlässigen. Wie sagte der Sozialpädagoge und Mitbegründer der IG Soziales, Feßmann, im Sommer letzten Jahres? Ärzte, Psychologen, Lehrer, Theologen, Therapeuten, Offiziere, Beamte — sie lachen Tränen angesichts unserer Besoldung. Wir finden das in Ordnung und agieren weiter als fachanwaltschaftliche Straßenkehrer unserer Gesellschaft. Also weiter in die Gefängnisse, Obdachlosenasyle, Notunterkünfte, frisch hinein in die Krankenhäuser, zu den vereinsamten Alten, in die geschlossenen Abteilungen — und zwar mit der entsprechenden Arbeitshaltung: Für die anderen alles und für uns nichts zu wollen. Nur keine Gleichstellung der Abschlüsse, nur nicht Mehrbezahlung, bloß keine Ausweitung der Verantwortungsbereiche! maz

Nachqualifizierung und Zukunft der Sozialarbeit ist Thema einer von der IG Soziales organisierten Podiumsdiskussion am Mittwoch um 18 Uhr in der Französischen Friedrichstadtkirche, Platz der Akademie 6, Berlin 1080.