»Vopos sollen zu ihrer Geschichte stehen«

■ Ellen Karau ist Chefin der Kripo in der Direktion5/ Ihr sind auch 190 Ost-Kriminalisten unterstellt

Kreuzberg. Wer ehrlich ist, dem will Kriminaldirektorin Ellen Karau eine Chance geben. Und in diesen Tagen wollen viele eine Chance bekommen. Zu den knapp über 200 Kriminalisten, die bis zur Vereinigung am 3. Oktober in Karaus Direktion 5 in der Kreuzberger Friesenstraße arbeiteten, sind knapp 190 Polizisten aus dem Ostteil der Stadt hinzugekommen.

Nur: Nicht alle ehemaligen Angehörigen der Volkspolizei sind in der DDR-Vergangenheit tatsächlich Kriminalisten gewesen. Und daran haben Politiker aus der Nachwende- Zeit erheblichen Anteil. So habe der damalige DDR-Innenminister Peter- Michael Diestel (CDU) in seiner Amtszeit den gesamten Stasiverein FC Dynamo Berlin und auch Kindergärtnerinnen auf die Gehaltsliste der Polizei gesetzt, erzählt die 45jährige West-Polizistin.

Streng und selbstsicher sieht sie aus, in ihrem weinroten Rollkragenpullover und dem grauen Kostüm, von dem sie die Jacke aber doch mal geraderückt, weil sie nicht richtig zu fallen scheint. In ihrem Büro sitzt auf der Fensterbank ein flauschiger Teddybär, auf einem Regal erinnert eine schwarze Polizeimütze aus den sechziger Jahren daran, daß Polizisten einmal heftig auf Studenten einprügelten. Auf einer Commode liegt, schon etwas vergilbt, die von der taz veröffentlichte Liste der Stasi-Objekte.

»In die muß ich immer wieder reingucken«, erzählt die Kriminalistin. Aber auch anderweitig hat sie sich über das System der DDR und über die Staatsverträge sachkundig gemacht. Notwendigerweise. Von den knapp 190 Kriminalisten, mit denen sie persönlich gesprochen hat, habe mancher probiert, »einen vorzuführen«. Bei den Zivilpolizisten habe sich herausgestellt, daß dasObservieren darin bestanden hätte, zu Hunderten auf dem Alex darauf zu warten, daß Oppositionelle ein Transparent entrollen. Aber auch manch anderer Volkspolizist wolle qualifizierter sein, als er ist. Doch dort, wo man sich auskenne, »können die nicht mehr mitreden«. Unterlagen wurden »getürkt« und Dienststellen aufgelistet, die schon lange nicht mehr existieren.

»Ich habe Verständnis, daß Polizisten ihren Staat mittragen«, erklärt die Beamtin. Sie akzeptiere sogar, daß die ehemaligen Führungskräfte absolut stromlinienförmig gewesen seien. Sie sei schließlich nicht dort aufgewachsen. Sie verlangt aber, »daß diejenigen dazu stehen«. Doch je länger sie bestimmte Kollegen aus dem Ostteil der Stadt kenne, in desto weitere Ferne rücke der Zeitpunkt, an dem diese begannen, an ihrem Staat oder der Staatspartei SED zu zweifeln. Karaus Mißtrauen gegenüber den neuen Kollegen bleibe grenzenlos.

Erst einen einzigen Vopo-Chef habe sie kennengelernt, über den sich seine Mannschaft ihr gegenüber nicht ausgeweint habe. Ein Angehöriger der früheren Volkspolizei habe über diesen Vorgesetzten erzählt, daß er von ihm nicht herausgeworfen wurde, obwohl seine Frau aus der Partei ausgetreten war. Inzwischen haben sich einige Neue daran gewöhnt, daß in der Kreuzberger Direktion die Verhältnisse anders sind als noch vor kurzem auf den Inspektionen in Treptow oder Köpenick. »Jetzt erzählt einer einfach mal«, berichtet Berlins höchste Polizeibeamtin. Dirk Wildt