Riedmüller zaubert HMI-Gutachten aus der Tasche

■ Auch das zweite HMI-Gutachten des Verfassungsrechtlers Wahl hält Schreyers Ablehnung für rechtswidrig/ Die Umweltsenatorin wurde vom »vorläufigen Ergebnis« nicht informiert/ Gutachten soll in dieser Woche veröffentlicht werden

Berlin. Der Coup war gut vorbereitet: Während der Regierende Bürgermeister Momper nebst seinem Chef der Senatskanzlei zum ersten Mal in Moskau weilt, rückt Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller beiläufig mit neuen Nachrichten in Sachen Hahn-Meitner-Institut heraus. In einer schon seit Wochen anberaumten Sitzung von Riedmüllers Staatssekretär Hans Kremendahl mit Forschungsminister Riesenhuber gestern in Bonn gab dieser »ein vorläufiges Ergebnis der gutachterlichen Prüfung« seitens der Senatskanzlei zum Besten. »Die Gutachten von Prof. Grundei und Prof. Wahl gehen davon aus, daß der ablehnende Bescheid rechtswidrig ist. Beide machen verfahrens- und materialrechtliche (richtig: materiellrechtliche; die Red.) Gründe geltend« heißt es in einer Presseerklärung. Wie berichtet, hatte die Senatskanzlei nach dem ablehnenden Bescheid der zuständigen Umweltsenatorin Schreyer ein zweites Gutachten bei dem Freiburger Verfassungsrechtler Wahl in Auftrag gegeben, um die Rechtskräftigkeit zu überprüfen.

Wie Kremendahl auf Anfrage erklärte, kenne man in der Wissenschaftsverwaltung den »Tenor« des Gutachtens schon seit Ende letzter Woche. Auch Wahl mache Verfahrensfehler geltend, außerdem seien die Grundsätze zur Entsorgung von Brennelementen durchaus berücksichtigt. Im Hause Schreyer wird diese Rechtsauffassung nicht geteilt.

Michaele Schreyer, der die Atomaufsicht untersteht, war von dem »Zwischenergebnis« des zweiten Gutachtens nicht informiert worden und zeigte sich dementsprechend verärgert. Auch die von der AL gestellte stellvertretende Senatssprecherin Ingvild Kiele, die während der Abwesenheit von Momper und seinem Sprecher das Presseamt leitet, war nicht unterrichtet worden. Absprachen über die Bekanntmachung des neuen Gutachtens wurden lediglich ziwschen der Senatskanzlei und der Wissenschaftsverwaltung getroffen. Das Gutachten des Freiburger Verfassungsrechtlers Rainer Wahl liegt nach Angaben des zuständigen Abteilungsleiters in der Senatskanzlei, Werner Müller, noch nicht »im zitierfähigen Wortlaut« vor. Der endgültige Text aus Freiburg solle aber noch in dieser Woche bekannt gemacht werden. Erst dann soll auch die Umweltsenatorin offiziell informiert werden. Schreyer zeigte sich gestern »befremdet« über das Vorgehen und wertete es als Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Senats, das sie gegenüber Momper offiziell rügen wolle. Inhaltlich zeigte sie sich »gelassen«, denn nach der Verfassungslage sei sie immer noch die Herrin des Verfahrens.

Ob sie es nun für den Rest der Legislaturperiode bleiben wird, ist abzuwarten. Für die rot-grüne Koalition ist der Bescheid in jedem Falle kurz vor den Wahlen eine neue Zerreißprobe. Vermutlich wird sich der Senat in seiner Sitzung nächste Woche mit dem HMI beschäftigen und die SPD-Mehrheit die AL-Senatorin auffordern, ihren Bescheid rückgängig zu machen. Ob der Regierende, sollte sich Schreyer weiterhin störrisch zeigen, doch noch ein Verfahren zum Entzug der Atomaufsicht einleiten wird, darüber kann nur spekuliert werden. kd