ANC macht Front gegen „Kollaborateure“

Auflösung der Township-Verwaltungen und „Homelands“ soll erreicht werden/ Generalstreik und Razzien in Bophuthatswana  ■ Aus Johannesburg Tim Murphy

ANC-Vizepräsident Nelson Mandela hat sich zu einem Treffen mit Inkatha-Chef Mangosuthu Buthelezi bereiterklärt. Eine Begegnung mit dem konservativen Zulu-Führer war im Nationalen Exekutivkomitee des ANC lange umstritten gewesen. Buthelezis Krieger gelten als Hauptverursacher der mörderischen Gewaltwelle, die Südafrika in den vergangenen drei Monaten heimgesucht hat. Auch den linken Konkurrenzorganisationen PAC und Azapo bot Mandela die Hand zur Versöhnung.

Wie Mandela am Wochenende erklärte, habe auch Lucas Mangope, Regierungsoberhaupt des von Südafrika für unabhängig erklärten Homelands Bophuthatswana, um ein Gespräch gebeten. Mangope, der beträchliche Vermögen ins Ausland verbracht hat — unter anderem verfügt er über ein Konto in der Schweiz und Grundbesitz in Frankreich — gilt als das letzte schwarze Homeland- Oberhaupt von Südafrikas Gnaden. Der ANC-nahe Gewerkschaftsdachverband Cosatu rief für Montag zum Streik in Bophuthatswana auf. Ziel der Aktion sind die Auflösung des pseudo-unabhängigen Staates, die Aufhebung des Ausnahmezustandes und aller Sondergesetze sowie freie politische Betätigung.

Die Innenstadt des nahegelegenen Pretoria lag gestern verlassen da. In den meisten Geschäften war nur weißes Personal zur Arbeit erschienen. Die Polizei Bophuthatswanas begann zugleich mit einer Großrazzia gegen ANC-Mitglieder. Landesweit wurden Wohnungen durchsucht und eine noch nicht näher bekannte Zahl von Aktivisten verhaftet. Unter den Verhafteten ist auch der Direktor eines Krankenhauses, der sich in einem Anti-Repressions-Forum betätigt. Staatschef Mangope erklärte, er habe verläßliche Hinweise, daß „Elemente des ANC“ seine Regierung stürzen und ihn ermorden wollten.

Die drei anderen „unabhängigen“ Homelands Südafrikas — Venda, Ciskei und Transkei — stehen nach Aussagen Mandela voll hinter dem ANC. „Wir sollten frühere Streitigkeiten vergessen“, sagte er am Sonntag auf einer Massenkundgebung in Venda und rief seine Anhänger zur Zusammenarbeit mit der Militärregierung von Venda auf. Alle drei Gebiete werden von Militärs regiert, die zuvor von Südafrika installierte Regierungen gestürzt haben.

Gleichzeitig setzt der ANC auch seine Kraftprobe mit den von der südafrikanischen Regierung eingesetzen Verwaltungen der Schwarzen-Townships fort. ANC-nahe Township-Organisationen in der Provinz Transvaal haben alle schwarzen Gemeinderäte aufgefordert, bis Ende November zurückzutreten. Seit Jahren attackieren Township-Jugendliche die Häuser der „Kollaborateure“ mit Benzinbomben. „Es ist ganz klar“, erklärte Mandela am Sonntag, „daß Organe, die nicht von uns aufgestellt wurden, keine Bedeutung haben.“

Zwischen 1984 und Mitte 1990 gingen die Häuser von mindestens 120 Gemeinderäten in Flammen auf. 237 Sitze, ein Drittel aller in den 82 schwarzen Gemeinderäten des Transvaal zu vergebenden Posten, sind derzeit unbesetzt. In mehr als der Hälfte dieser Townships boykottieren die Bewohner Miet-, Wasser- und Stromzahlungen, um eine demokratische Vertretung zu erzwungen. Die aufgelaufene Schuld wird auf etwa eine Millarde Rand (600 Millionen Mark) geschätzt.

Auf Regierungsseite wurden am Wochenende letzte Vorbereitungen für den Start der eigentlichen Verhandlungen mit dem ANC um die Zukunft Südafrikas getroffen. Präsident Frederik Willem De Klerk entlastete Kabinettsmitglieder, die als Schlüsselfiguren für die Verhandlungen angesehen werden. Als neuer Erziehungs- und Umweltminister wurde Louis Pienaar verpflichtet. Bis März dieses Jahres war Pienaar als Generaladministrator Südafrikas in Namibia tätig und so verantwortlich für die Entlassung der ehemaligen Provinz Südwestafrika in die Unabhängigkeit. Pienaar, erfahren durch Verhandlungen mit der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO, scheint nun als wichtiger Unterhändler der Nationalen Partei für die kommenden Verhandlungen vorgesehen zu sein.